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Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Die Unvollendete: Roman (German Edition)

Titel: Die Unvollendete: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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aushält.«
    »Ich glaube, sie ist ihm dankbar. Ihm hat sie Surrey zu verdanken. Den Tennisplatz, die Freunde in der Regierung, jede Menge Roastbeef. Sie haben oft Gäste – alles, was Rang und Namen hat. Manche Frauen ertragen viel dafür. Sogar Maurice.«
    »Ich nehme mal an, dass er ihre christliche Toleranz auf eine harte Probe stellt.«
    »Er stellt alles auf eine harte Probe, woran Harold glaubt. Er hat mit Maurice über Sozialhilfe gestritten und mit Edwina über die Prädestinationslehre.«
    »Sie glaubt daran? Ich dachte, sie wäre Anglikanerin.«
    »Ich weiß. Sie ist nicht in der Lage, logisch zu denken. Sie ist erstaunlich dumm, deswegen hat er sie wahrscheinlich geheiratet. Warum, glaubst du, behauptet Maurice, dass der Krieg nur ein paar Monate dauern wird? Ist das nur das Gepolter des Ministeriums? Glauben wir alles, was er sagt? Glauben wir irgendetwas, was er sagt?«
    »Also, im Allgemeinen nicht«, sagte Ursula. »Aber er ist ein großes Tier im Innenministerium, deswegen sollte er es eigentlich wissen. Innere Sicherheit, eine neue Hauptabteilung seit dieser Woche.«
    »Du auch?«, fragte Pamela.
    »Ja, ich auch. Die Luftschutzabteilung ist jetzt ein eigenes Ministerium, wir müssen uns alle noch an den Gedanken gewöhnen, dass wir erwachsen sind.«
    Als Ursula mit achtzehn die Schule beendet hatte, war sie nicht nach Paris gegangen und hatte sich trotz guten Zuredens mancher Lehrer auch nicht in Oxbridge beworben und Sprachen, ob tot oder lebendig, studiert. Sie hatte sich mit High Wycombe und einem kleinen Sekretärinnen-College begnügt. Sie wollte lieber vorankommen und unabhängig werden, als in einer klosterähnlichen Institution eingeschlossen werden. » Der geflügelte Wagen der Zeit und so weiter«, hatte sie zu ihren Eltern gesagt.
    »Wir kommen alle voran«, sagte Sylvie, »auf die eine oder andere Weise. Und letztlich alle ans gleiche Ziel. Mir leuchtet nicht ein, dass es wichtig wäre, wie wir dorthin kommen.«
    Ursula schien, dass das Wie das einzig Wichtige war, aber es hatte keinen Sinn, mit Sylvie zu streiten, wenn sie gedrückter Stimmung war. »Ich werde mir eine interessante Arbeit suchen können«, wischte Ursula die Einwände ihrer Eltern vom Tisch, »bei einer Zeitung oder vielleicht in einem Verlag.« Sie dachte dabei an eine unkonventionelle Atmosphäre, Männer in Tweedjacketts und mit Krawatten, Frauen, die auf weltläufige Weise rauchten, während sie an Royal-Schreibmaschinen saßen.
    »Wie auch immer, gut für dich«, sagte Izzie zu Ursula, während sie vornehm im Dorchester einen Nachmittagstee einnahmen, zu dem sie sowohl Ursula als auch Pamela eingeladen hatte (»Sie will bestimmt was von uns«, sagte Pamela).
    »Und wer will schon ein langweiliger Blaustrumpf sein?«, sagte Izzie.
    »Ich«, sagte Pamela.
    Wie sich herausstellte, hatte Izzie tatsächlich ein heimliches Motiv. Augustus war so erfolgreich, dass Izzies Verleger sie gebeten hatte, »etwas Ähnliches« für Mädchen zu schreiben. »Aber keine Bücher mit einem bösen Mädchen«, sagte sie. »Das geht offenbar nicht. Sie wollen ein engagiertes Mädchen, so was wie die Kapitänin einer Hockeymannschaft. Jede Menge Jux und Tollerei, aber alle ziehen am selben Strang, nichts, was die Pferde scheu macht.« Sie wandte sich an Pamela und sagte zuckersüß: »Ich habe an dich gedacht, Liebes.«

    Das College wurde geleitet von einem Mann namens Mr. Carver, der ein großer Anhänger von Stenographie und Esperanto war. Er hätte »seine Mädchen« gern Augenbinden tragen lassen, während sie blind das Tippen übten, doch Ursula, die den Verdacht hegte, dass mehr dahintersteckte, als nur ihr Geschick zu überprüfen, zettelte eine Revolte von Mr. Carvers »Mädchen« an. »Du bist wirklich eine Rebellin«, sagte eine von ihnen – Monica – voller Bewunderung. »Nicht wirklich«, erwiderte Ursula. »Ich bin nur vernünftig.«
    Das war sie. Sie gehörte jetzt zu den Vernünftigen.

    In Mr. Carvers College hatte Ursula ein überraschendes Talent für Schreibmaschineschreiben und Kurzschrift an den Tag gelegt, doch die Männer, die im Innenministerium das Einstellungsgespräch mit ihr führten und die sie danach nie wiedersah, waren eindeutig der Meinung, dass ihre Beschlagenheit in alten Sprachen ihr bessere Dienste leisten würde, als wenn sie die Schubladen der Aktenschränke öffnete und schloss und in einem Meer braungelber Aktenmappen endlose Nachforschungen durchführte. Es war nicht ganz die

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