Die Unvollendete: Roman (German Edition)
Colette und sagte: »Du solltest etwas mit deinem Französisch tun.«
»Ich könnte in Paris leben.«
» Das habe ich nicht unbedingt gemeint«, sagte Sylvie.
»Meinst du, dass ich nach der Schule auf der Universität studieren sollte?«
»Aber wozu denn, Liebes? Dort wirst du nicht lernen, wie man eine Ehefrau und Mutter ist.«
»Was, wenn ich keine Ehefrau und Mutter werden will?«
Sylvie lachte. »Jetzt redest du Unsinn, um mich zu provozieren.« Sie streichelte Ursulas Wange. »Du warst immer so ein komisches kleines Ding. Auf der Terrasse steht Tee«, sagte sie und stand widerwillig auf. »Und Kuchen. Und leider auch Izzie.«
»Liebes«, sagte Izzie, als sie Ursula über den Rasen auf sich zukommen sah. »Du bist gewachsen, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe. Du bist jetzt eine Frau und eine hübsche noch dazu!«
»Nicht ganz«, sagte Sylvie. »Wir haben gerade über ihre Zukunft geredet.«
»Ja?«, sagte Ursula. »Ich dachte, wir hätten über mein Französisch geredet. Ich muss mich weiterbilden«, sagte sie zu Izzie.
»Wie ernst du bist«, sagte Izzie. »Mit sechzehn solltest du dich Hals über Kopf in den falschen Jungen verlieben.« Das habe ich, dachte Ursula, ich bin verliebt in Benjamin Cole. Sie nahm an, dass er der falsche Junge war. (»Ein Jude?«, würde Sylvie sagen. Oder ein Katholik oder ein Bergarbeiter oder ein Ausländer, ein Verkäufer, ein Büroangestellter, ein Landarbeiter, ein Trambahnschaffner, ein Lehrer. Falsche Männer waren Legion.)
»Warst du es?«, fragte Ursula Izzie.
»War ich was?«, fragte Izzie verständnislos.
»Warst du mit sechzehn verliebt?«
»Oh, und wie.«
»Und du?«, fragte Ursula Sylvie.
»Du meine Güte, nein.«
»Aber mit siebzehn musst du verliebt gewesen sein«, sagte Izzie zu Sylvie.
»Muss ich?«
»Als du Hugh kennengelernt hast natürlich.«
»Natürlich.«
Izzie neigte sich zu Ursula und senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Als ich so alt wie du war, bin ich durchgebrannt.«
»Unsinn«, sagte Sylvie zu Ursula. »Sie hat nichts dergleichen getan. Ah, da kommt Bridget mit dem Tee.« Sylvie wandte sich an Izzie. »Gibt es einen besonderen Grund für deinen Besuch, oder bist du nur gekommen, um uns zu ärgern?«
»Ich war mit dem Auto in der Nähe und habe gedacht, dass ich vorbeischaue. Es gibt da etwas, was ich dich fragen will.«
»Ach du liebe Zeit«, sagte Sylvie müde.
»Ich habe nachgedacht«, sagte Izzie.
»Ach du liebe Zeit.«
»Würdest du bitte aufhören, ›Ach du liebe Zeit‹ zu sagen, Sylvie.«
Ursula schenkte Tee ein und schnitt den Kuchen auf. Sie spürte einen Streit heraufziehen. Ein Mundvoll Kuchen machte Izzie vorübergehend sprachlos. Es war keiner von Mrs. Glovers leichteren Biskuitkuchen.
»Wie gesagt« – sie schluckte mühsam – »ich habe nachgedacht – sag nichts, Sylvie. Die Abenteuer des Augustus sind ein unglaublicher Erfolg, ich schreibe alle sechs Monate einen neuen Band. Es ist verrückt. Und ich habe das Haus in Holland Park, und ich habe Geld, aber natürlich keinen Mann. Und auch kein Kind.«
»Wirklich?«, sagte Sylvie. »Bist du sicher?«
Izzie ignorierte sie. »Niemand, mit dem ich mein Glück teilen kann. Und deswegen habe ich gedacht, warum adoptiere ich nicht Jimmy?«
»Wie bitte?«
»Sie ist unglaublich«, zischte Sylvie Hugh an. Izzie war noch draußen auf dem Rasen und las Jimmy aus einem unfertigen Manuskript vor, das sie in ihrer übergroßen Handtasche mit sich trug. Augustus fährt ans Meer.
»Warum will sie mich nicht adoptieren?«, fragte Teddy. »Schließlich bin ich doch das Vorbild für Augustus.«
»Möchtest du von Izzie adoptiert werden?«, fragte Hugh.
»Du lieber Gott, nein.«
»Niemand wird adoptiert«, sagte Sylvie wütend. »Geh und sprich mit ihr, Hugh.«
Ursula ging, um sich einen Apfel zu holen, in die Küche, wo Mrs. Glover mit einem Fleischklopfer auf Kalbfleischscheiben eindrosch. »Ich stelle mir vor, es wären die Köpfe der Boches«, sagte sie.
»Wirklich?«
»Sie haben das Gas verschossen, das die Lunge des armen George kaputtgemacht hat.«
»Was gibt es zum Abendessen? Ich bin am Verhungern.« Ursula war Georges Lunge mittlerweise gleichgültig, sie hatte so viel davon gehört, dass es ihr so vorkam, als hätte diese ein Eigenleben so wie die Lunge von Sylvies Mutter. Die Organe schienen mehr Charakter zu haben als ihre Besitzer.
»Kalbskoteletts à la Russe «, sagte Mrs. Glover, drehte die Fleischscheiben um
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