Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
Probe.«
»Sieh an, sieh an, nun fordert sie mich sogar heraus! Und dieser Herausforderung, meine Mody, füge ich eine weitere hinzu. Hör zu, mir ist eine Idee gekommen: Würdest du es schaffen, sobald die Trauer um Pietro vorüber ist, für mich und mein Herz ein Fest auszurichten? Ein Fest für uns zwei und unser Geheimnis? Ich will ein riesiges Fest. Auf der ganzen Insel soll man die Freude spüren. Du mußt es mit deinen Händen vorbereiten, und ich werde sehen, ob diese schönen Hände, die ich küsse, zittern. Schaffst du das? Wenn du diesen Zweikampf durchstehst – wer hätte auch jemals ein Fest für die Verlobung des eigenen Sohnes mit diesem Flittchen von Krankheit gefeiert, die sich auf sein Herz gelegt hat? –, wenn du es schaffst, wird Prando es dir mit seinem Lebenswillen vergelten, sei gewiß. Die Begeisterung für diese Wette läßt ihm schon jetzt das Blut in die Venen zurückschießen. Aber nimm dich in acht, alte Frau, es wird nicht leicht, und ich werde dir auf Schritt und Tritt folgen, werde jede deiner Bewegungen, jeden Gesichtsausdruck unter die Lupe nehmen. Und sobald du nur einmal zitterst oder dein Blick sich trübt, hast du verloren.«
94
Die Flucht von Orangen- und Zitronenbäumen, eben noch strahlend im Glanz unzähliger Lämpchen – mit Kerzen hätten wir das damals nicht geschafft, nicht wahr, Beatrice? –, verblaßt allmählich im ersten Morgenschein. Noch immer drehen eng umschlungene Paare ihre Kreise auf dem marmornen Platz, auf den die beiden Flügel der Freitreppe münden. Langsam steigt Prando die breiten Stufen des Carmelo hinauf, auf der Suche nach seiner Mutter. Die ganze Nacht hat er mich beobachtet, bald werden wir erfahren, wer den Wettstreit gewonnen hat. Ich habe nicht gezittert, wie befürchtet, und nun verstehe ich meine Heiterkeit trotz Pietros Tod, trotz Prandos Krankheit. Nicht etwa Gleichgültigkeit ist es, Abstumpfung der Sinne nach all den Jahren, wie ich geargwöhnt hatte, sondern im Gegenteil die bewußte Fülle der Empfindungen, die uneingeschränkte Wahrnehmung eines jeden kostbaren Moments, den das Leben dir als Preis zugesteht, wenn du ruhiges Blut und Mut beweist … Langsam steigt Carmine die Stufen des Carmelo hinauf. Nun, Alter, verstehe ich den tieferen Sinn von Freiheit und Freude, den auch du vor dem Tod kanntest; ich beneide dich nicht länger, sondern habe mich deiner Kunst bemächtigt, und ab heute soll es für mich nur noch die Freude geben. Das sehe ich in meiner Zukunft und in deinem Blick, Prando.
»Was siehst du in meinem Blick, Alte?«
»Ich sehe, daß du nicht sterben wirst, bevor meine Augen sich geschlossen haben.«
»Und wie lange, glaubst du, hast du noch?«
»Wer weiß das schon? Lange, hoffe ich.«
»Dann hängt mein Leben also von deinem ab?«
»Wenn du es so willst. Wenn nicht, bring dich um! Aber tu es mit einem Revolver. Jammernd auf den Tod zu warten ist etwas für schwache Geister, und du warst ja so manches im Leben, aber niemals feige.«
»Du hast die Wette gewonnen, und Prando wird dich mit seinem Lebenswillen bezahlen. Ihm bleibt nichts anderes übrig. Worin liegt der Reiz des Sterbens, wenn die, die dich gezeugt hat, keine einzige Träne vergießen wird?«
’Ntoni: »Eine phantastische Idee, den Garten taghell zu beleuchten und drinnen, wo der größte Teil des Festes stattfindet, die Salons im Halbdunkel zu lassen. Die ganze Nacht bin ich wie im Traum umhergelaufen. Das ist es! Glückwunsch, Mody. Es ist ein Traumfest!«
Bambú: »Carluzzu, nimm mich in den Arm, ich fühle mich so einsam!«
’Ntoni: »Man fühlt sich immer einsam, wenn ein Fest oder eine Darbietung sich dem Ende neigt, etwas geht dahin und hinterläßt in dir drin viele kleine Tode, kleine, eisige rosa Perlen wie die, die du um den Hals trägst, Bambú.«
Carlo: »Immer up to date , unser ’Ntoni. Du hast es schon gespürt, was, alter Wolf, daß D’Annunzio wieder salonfähig wird?«
Bambú: »Nein, Carluzzu, laß ’Ntoni reden, ich mag das. Vielleicht ist er der einzige, der geblieben ist, wie er war.«
’Ntoni: »Wie war ich denn, Bambuccia?«
Bambú: »Am unterhaltsamsten und originellsten.«
’Ntoni: »Und weißt du auch, warum?«
Bambú: »Nein.«
’Ntoni: »Weil ich nicht geheiratet habe … Warum weinst du nun, Bambú, das sollte ein Witz sein.«
Bambú: »Ich möchte Jacopo sehen! Er läßt fast nie von sich hören.«
Immer seltener läßt Jose von sich hören … Er kämpft in weiter Ferne, und Jacopo folgt ihm
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