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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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diese Weise anschauen läßt …
    Nina: »Was tun wir jetzt, Marco? Sie ist eingeschlafen.«
    Modesta: »Ich schlafe nicht, ich habe nur die Augen geschlossen, weil ich keine Lust habe zu reden.«
    Marco: »Das ist nicht schlimm, Nina, wir bringen siehoch. Ich kümmere mich darum … Sieh nur, sie hat die Schuhe ausgezogen und sich zusammengerollt, als läge sie schon im Bett. Bist du sicher, daß es ihr gutgeht?«
    Nina: »Aber ja, so war sie immer schon! Sie kommt tagelang ohne Schlaf aus, auch damals im Gefängnis, und dann auf einmal schläft sie zwei Tage und Nächte am Stück.«
    Marco: »Sehr merkwürdig!«
    Nina: »Carluzzu hat mir erzählt, das sei die Kunst der großen Feldherren, ich weiß nicht, ob er mich verschaukeln wollte, Carluzzu ist selten ernst. Jedenfalls hat er mir erzählt, daß Julius Cäsar, wenn er mit seinem Latein am Ende war, einschlief.«
    Marco: »Bring mich nicht zum Lachen, Nina, sie ist zwar nicht schwer, aber ich bin betrunken, glaube ich, und ich habe Angst, sie fallen zu lassen oder zu wecken.«
    Nina: »Da mach dir mal keine Sorgen! Wenn sie so ist, würde nicht einmal Kanonendonner sie aufwecken.«
    Ich schlafe nicht und kann ihre Worte hören. Mit einem Schrei oder einem Lachen könnte ich sie erschrekken. Aber ich habe keine Lust zu reden, schon gar nicht, wo sich jetzt auch Carluzzu der kleinen Prozession angeschlossen hat und sich einen Spaß daraus macht, Nina mit der Körperkraft ihres Musiker-Freundes aufzuziehen.
    Carlo: »He, Nina, da hast du ja ausnahmsweise mal einen bärenstarken Freund, wie kommt’s? Hast du etwa deine Ansichten über die Männlichkeit revidiert? Bisher habe ich bei dir immer nur Epheben und Nymphchen gesehen.«
    Wenn Carluzzu so redet, ähnelt er ’Ntoni. Wieso wundert dich das, Modesta? Wohl oder übel sind sie nun mal Stellas Söhne, nur daß Carluzzu – was ’Ntoni nicht zuerfahren braucht, der sehr geknickt darüber wäre, armer Junge! – um einiges intelligenter ist als ’Ntoni.

95
    »Guten Morgen, Tante.«
    »Oh, Bambú, sind sie weg?«
    »Allerdings, schon seit zwei Tagen.«
    »Ach komm, ich habe doch alles mit angehört. Carluzzu hat Nina aufgezogen …«
    »Sicher, vor zwei Tagen!«
    »Ich verstehe, ich habe geschlafen und geträumt, daß ich nicht schliefe. Ich habe aber auch einen richtigen Bärenhunger! Das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Ich wollte vor etwas fliehen … aber wovor?«
    »Nina meint, vielleicht wolltest du vor unserem Gejammer fliehen. Deine Nina hat uns allen den Kopf gewaschen, aber gründlich, will ich meinen! Und zu Recht, auch ich war in letzter Zeit zu wenig zu gebrauchen. Selbst das Fest hast du weitgehend alleine vorbereiten müssen.«
    »Es war ein schönes Fest, nicht wahr?«
    »Genau wie Prando es wollte! Die ganze Insel spricht davon und wird noch lange Gesprächsstoff haben.«
    »O Bambú, ein Déjà-vu! Diesen Moment habe ich schon einmal erlebt: Ich esse, du siehst mich an, das große Fenster, der Spiegel mit den vergoldeten Weinblättern und Früchten. Beim letzten Mal, als ich nach der Verbannung Typhus hatte, wachte ich auch in diesem Zimmer auf. Ich wollte dich etwas fragen und habe es wieder vergessen.«
    »Was?«
    »Vielleicht erinnerst du dich nicht …«
    »Natürlich erinnere ich mich! Wie könnte ich das Ende des Faschismus vergessen und daß du beinahe gestorben wärst?«
    »Der Spiegel, Bambú, wer hat ihn dorthin gehängt?«
    »Das war ich.«
    »Es war mein Zimmer zu der Zeit, als ich deine Mutter kennenlernte, wußtest du das?«
    »Wirklich?«
    »Wie kamst du darauf, gerade diesen Spiegel hierhin zu hängen?«
    »Keine Ahnung, er lag auf dem Dachboden.«
    »Jetzt weiß ich, warum ich eingeschlafen bin. Ich wollte hierbleiben, jetzt, wo die Toten weg sind und das Haus wieder bewohnt ist. Es ist schön hier. Die Mädchen sind aufgewacht, Bambú. Hörst du, wie sie unten auf der Treppe lachen? Wie viele sind es?«
    »Beatrice, Gaia und zwei oder drei Freundinnen, die hier geschlafen haben. Sie reden nur noch vom Fest, auf ihre Art feiern sie weiter.«
    »Ja, ich wollte hierbleiben.«
    »Oh, das wäre schön. Dann bleib doch, Tante, bleib!«
    »Ich möchte bei dir sein, Bambú, aber das Leben geht weiter, jemand klopft an die Tür, mal sehen, wer es ist …«
    Carlo: »Oh, Großmutter, wir haben uns Sorgen gemacht, die ganze Insel ist in Sorge! Alle stehen sie in der Buchhandlung! Deine Sekretärin – ein hübsches Ding, Donnerwetter!, ich bin versucht, hierzubleiben und ihr den

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