Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
habe, kann ich gehen … Wie lange warte ich nun schon auf sie, Bambolina?«
»Seit zwei Tagen, Pietro. Aber jetzt kommt sie bestimmt gleich, sie ist schon auf dem Flughafen.«
»Amerika ist noch immer weit weg, was, Bambú?!«
»Aber Crispina ist ja schon in Palermo, und wenn nicht der Streik wäre …«
»Streik, Mody?«
»Ja, Pietro.«
»Das hat gedauert, was, Mody, bis man dieses Wort laut und am hellichten Tag aussprechen konnte! Du bist nochjung, Bambuccia, aber früher konnte man nur im Dunkeln reden, und nicht einmal in den eigenen vier Wänden war man sicher. Du erinnerst dich doch an Pasquale, was, Mody? Schlank und blond wie ein Erzengel, aber von Verrätereien und den vielen Kratzfüßen vor den Faschisten ganz aufgebläht, schwitzte wie ein Schwein, und wie ein Schwein habe ich ihn eigenhändig gepackt und abgestochen … Bambú, gibst du mir die Hand wie gestern? Bambolinas Hand sieht, pflegt und heilt. Und deswegen kann sie das, was sie berührt, in Gedichte fassen wie der cantastorie . Mein Vater hat immer gesagt, daß derjenige, der mit dem Talent geboren wird, Geschichten zu erzählen, auch heilen kann … Was macht mein gutes Spätzchen, Bambú? Meine Quecksilber wird doch nicht etwa weinen?«
»Nein, sie backt einen Kuchen … Crispina wird sicher hungrig sein.«
»Gut so, mein Spätzchen, sie hat auf mich gehört. Du kümmerst dich danach um sie, nicht wahr, Bambú? Du führst sie? Sie ist so, viele sind so. Sie sind nicht weniger tüchtig als andere, sie sind nur von Natur aus sanfte Wesen, die eine führende Hand brauchen.«
»Sicher, Pietro.«
»Ich wußte es, ich sage das nur, weil beim Reden die Zeit schneller vergeht …«
»Apropos reden, Tante, wenn du wüßtest, was Pietro mir in diesen Tagen für phantastische Geschichten erzählt hat! Ich werde sie alle aufschreiben, Pietro, das erlaubst du mir doch, oder?«
»Wenn sie deine Phantasie anregen, gehören sie dir.«
»Und ob! Wenn du wüßtet, was er alles über Großmutter Gaia weiß, und wie Onkel Jacopo euch von der Insel befreit hat. Erzähl der Tante von der Insel, Pietro.«
»Du hast ja schon alles gesagt, Bambuccia.«
»Aber von dem Deutschen, der so nett war …«
»Tja, keine Ahnung, ob er nicht sehen wollte oder uns tatsächlich nicht sah, sicher ist nur, wenn er uns angehalten hätte, wären wir verloren gewesen.«
Timur! … Dann hatte ich Timur getroffen? Eisige Angst ergreift mich bei diesem Namen, den ich selbst wachgerufen habe. Sie sprachen nur von einem Deutschen.
»Was ist los, Tante? Du bist ganz blaß geworden.«
»Wie sah der Deutsche aus, Pietro?«
»Woher soll ich das wissen, meine Mody! Mit diesen Helmen sahen sie doch alle gleich aus.«
»Laß uns lieber nicht von den Deutschen reden, die Tante macht immer ein Gesicht, wenn die Rede darauf kommt, das gefällt mir nicht. Erzähl lieber davon, wie du Inès besiegt hast … Pietro hält es für sein Meisterstück, Tante.«
»Aber bestimmt! Ich kann mit der Kraft meiner Hände und Beine kämpfen, aber gegen eine Frau, tja, gegen eine Frau! Pietro mußte sich klein machen wie eine Schlange und sie ausspionieren … Aber Mody weiß das, Bambú, ich hatte nichts gegen Inès, doch sie quälte meinen Ippolito, und da habe ich sie erpreßt. Sie hatte einen Süßholzraspler, konnte sich aber nicht entscheiden, mit ihm wegzugehen, häufte immer nur mehr Geld an, da habe ich sie eben zur Entscheidung gezwungen. Und sie war es dann auch zufrieden. Da verstehe einer die Frauen! Sie sagte, sie könne Jacopo, ihren Sohn, nicht verlassen, es sei ihre Pflicht, bei ihm zu bleiben. Aber da sind wir schon wieder beim Thema, Mody, ich sollte nicht … doch zu meiner Beruhigung, kann ich mich darauf verlassen, daß Ihr für meinen Herrn Fürsten einen Gefährten zum Angeln und Spazierengehen findet?«
»Sicher, Pietro.«
»Mach bitte die Tür auf, Bambú, Crispina ist da! Gerade noch rechtzeitig. Ich bin müde, und selbst wenn ich so lustige Dinge erzähle, packt mich der Überdruß und zeigt mir, daß ich müde bin und schlafen muß.«
Pietro schläft tief und fest, und angesichts dieses ruhigen Schlafes wagt keiner zu weinen oder zu klagen. Sein großer, massiver Körper flößt Respekt ein wie sein Lächeln, das sich bei Crispinas Anblick für immer in seine Gesichtszüge eingegraben hat.
Bambolinas elegante, aber entschiedene Handschrift benachrichtigte alle anderen … Wie damals auf Carmelo, als wir tun konnten, was wir wollten, nicht wahr, Cavallina?
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