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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Goliarda Sapienza
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… Einen Moment fürchtet Modesta, ihn nie wieder zu sehen, und drückt Prandos Kopf eng an sich.
    Prando: »Was ist, alte Frau?«
    Modesta: »Ich habe Angst, Prando.«
    Prando: »Um mich?«
    Modesta: »Nein, um Jacopo. Immer kämpft er so allein!«
    Prando: »Ich beneide ihn darum! Es ist ein wahres Glück, wenn das Schicksal dir einen Kopf schenkt, mit dem du kämpfen kannst. Ich verstehe nur mit meinen Armen zu kämpfen, aber die Zeiten sind vorbei. Vielleicht ist das der Grund, weshalb mein Körper mir allmählich schwer wird.«
    Bambú: »Dein Körper wird dir schwer, weil du zuviel ißt und trinkst.«
    Prando: »Auch das ist wahr, Bambú.«
    Bambú: »So wie jetzt, anstatt in Modestas Schoß zu liegen, warum gehst du nicht und kümmerst dich um Ignazio? Er ist auf dem Teppich eingeschlafen, geh ihn holen, und bring ihn ins Bett, er ist doch dein Sohn, oder?«
    Carlo: »O Tante, wie selig er schläft! Ich, ich weiß nicht …«
    Bambú: »Was?«
    Carlo: »Wenn ich Ignazio so daliegen sehe, kommt es mir vor, als hätte ich einen Moment lang mich selbst gesehen. Ja, als hätte auch ich …«
    Bambú: »Ja sicher, wenn du wüßtest, wie oft du wie dein Bruder eingeschlafen bist!«
    Carlo: »Und ich hatte immer Angst, nicht wahr, Bambú?«
    Bambú: »Ja, du hattest Angst, alle könnten weggehen und nicht mehr zurückkommen. Doch dann wurden viele Feste gefeiert, und alle umarmten sich, und … du wurdest geheilt. Wir mußten dich immer herumtragen.«
    Carlo: »Sieh mal an! Jetzt, wo du es sagst, spüre ich die kräftigen Arme, die mich im Schlaf hochhoben.«
    Bambú: »Ja, das war Pietro, der dich ganz leise und ohne ein Wort aufnahm und nach oben trug, weil er wußte, daß dein Vater es niemals tun würde.«
    Carlo: »Pietro! Mir ist, als wäre er noch bei uns. Ich habe ihn so oft im Traum gesehen, wie er sich mit seinem ausdruckslosen Gesicht durch die Menschenmenge schiebt … Ich gehe jetzt in Ignazio mich selbst holen und bringe ihn nach oben. Ich möchte wissen, wie es sich anfühlt, Vater zu sein. Denn Pietro war ein Vater, nicht wahr, Bambú?«
    Bambú: »Ja, Vater und Mutter, Carluzzu … Ich werde mich mal ein wenig umschauen, wer noch da ist. Diese Feste sind doch immer gleich. Solange die Sonne nicht die Lichter löscht, hat niemand Lust, die Fröhlichkeit zu beenden … O Carlo, schau nur, wie schön! Alles ist ganz weiß und glänzend, und die Lämpchen im Grün sehen aus wie leuchtende Orangen … Du auch, ’Ntoni, los, steh auf und sieh dir das an!«
    ’Ntoni: »Gerade war ich am Einschlafen, zum Glück hast du mich geweckt. Ich komme mit, so einen Tagesanbruch darf man nicht verpassen.«
    Prando: »Sollen wir auch gehen, Mama?«
    Modesta: »Sicher, Prando, so einen Tagesanbruch darf man niemals verpassen.«
    »Solange die Sonne nicht aufgeht, wagt niemand die Fröhlichkeit zu beenden.« Verständlicherweise. Wer hat schon den Mut, ein solches Verbrechen zu begehen? … Habe ich das gesagt oder Prando, der mir sinnloses Zeug ins Ohr flüstert? Oder Bambú, die leichtfüßig vor uns herläuft, die zarte Hand erhoben – ein Taubenflügel –, um uns den Weg zu weisen? Ihre zerbrechliche Taille schwingt in der Stille.
    Bambú: »Wieso ist es plötzlich so still, Prando?«
    Prando: »Die Musiker schlafen, sieh sie dir an: umgestürzt wie besiegte Paladine.«
    Bambú: »Aber es wird noch getanzt …«
    Prando: »Sicher, jeder singt sich selbst etwas, einen Walzer, einen Tango, ganz nach Belieben.«
    Bambú: »Man müßte Quecksilber sagen, daß sie etwas Warmes bringen soll. Sieh dir die zwei an, die dort in der Nische kauern, sie sind ganz starr vor Kälte.«
    Prando: »Schon geschehen. Da kommt sie und balanciert ihr Tablett. Wie dick und komisch Quecksilber geworden ist!«
    ’Ntoni: »Das Fett scheint sie zu befriedigen, denn sie redet weniger. Eines erwischt einen immer: entweder der Sex oder das Essen, oder die Geschwätzigkeit.«
    Quecksilber: »Was meint Ihr, junger Herr?«
    ’Ntoni: »Ich sagte gerade, daß du so dick und stumm allerliebst bist, Quecksilber, ganz allerliebst.«
    Quecksilber: »Zu freundlich, junger Herr.«
    ’Ntoni: »Für dich bleibe ich immer ein junger Herr, stimmt’s, Quecksilber? Irgendwie tröstlich, wenigstens für eine Person immer jung zu bleiben! Komm, komm und tanz mit mir.«
    Modesta: »Alle Zimmer des Carmelo bewohnt … Wenn deine Großmutter das sähe, Prando, könntest duihre Wutschreie hören! Vielleicht liegt es an der Müdigkeit, aber in dieser Stille

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