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Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts

Titel: Die unwahrscheinliche Reise des Jonas Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Freund
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darauf zurück. Brand war nie gemein, aber launisch, und das Geld hätte aus dem Knecht Jonas einen Gast gemacht. Daran war Brand bestimmt nicht gelegen.
    »Mehr?«, fragte Elsa, und als Jonas nickte, goss sie ihm Milch nach. Jonas trank in kleinen Schlucken.
    Er hätte die Schrift auf dem Zettel jederzeit nachmachen können. Er kannte die Bögen, die Unterlänge, den Schwung des O und das Hin und Her des S. Auch mit geschlossenen Augen sah er, wie die beiden Worte schräg nach unten abfielen. Sie waren im Stehen geschrieben, bei sehr wenig Licht, Jonas hatte sich das oft beschreiben lassen. Kein Wort hatte der Schreiber gesprochen, stumm sei er gewesen, hatte Brand gesagt, und auf Brands Fragen hatte der Mann so lange mit einem Nicken oder einem Kopfschütteln oder gar nicht geantwortet, bis Brand gefragt hatte, wie das Baby hieß. Da hatte der Stumme den Zettel und den Bleistift aus seiner Manteltasche geholt und das erste Wort geschrieben.
    Jonas .
    »Und wie weiter?«, hatte Brand gefragt, aber keine Antwort bekommen. Der Stumme habe müde ausgesehen, erschöpft von einem langen Ritt, verzweifelt. Vielleicht, dachte Jonas oft, hat er mich nicht abgeben wollen. Vielleicht war er unglücklich darüber. Vielleicht war der Stumme ja sein Vater und fühlte wie alle Väter.
    Aber Brand hatte nicht lockergelassen, er hatte den Mann am Handgelenk gepackt und, so hatte er es wenigstens einmal beschrieben, ihm tief in die Augen gesehen. Jonas stellte sich Brand dabei vor, die ewig roten Augen über den Tränensäcken aufgerissen.
    »Was soll ich dem Jungen sagen, wo er herkommt, wenn er groß wird?«, hatte Brand gesagt.
    Und dann hatte der Stumme das zweite Wort aufgeschrieben, es war bloß die Antwort auf diese Frage.
    Nichts .
    Natürlich ergab das zusammen keinen Namen, aber Brand hatte einen eigenartigen Humor und so hatte er einen Namen daraus gemacht.
    »Jeder braucht einen«, hatte er geknurrt. »Einer ist so gut wie der andere.«
    Als er Brand hinten im Haus rumoren hörte, trank Jonas aus und ging zurück in den Hof. Er hatte nie etwas anderes gesehen als diesen Flecken Erde, die Felder ringsum und die Häuser des Dorfs hügelabwärts, die sich an engen Gassen um die Kirche wanden. Manchmal, wenn er über die kahlen Hügel schaute und sah, wie der Wind an den Gräsern riss, dann packte ihn das Fernweh, und er stellte sich vor, wie der Stumme wiederkäme, um ihn in ein weit entferntes Land zu bringen. Wenn er sich das allzu genau vorstellte allerdings, bekam er Angst und lief eilig in den Stall mit seinen mistbeschmierten Wänden. Dann fasste er die Kuh an der feuchten Nase, lief zum Koben und kniff die Schweine oder zerbröselte altes Brot, um die Hühner zu füttern. Die Hühner mit ihren schwarzen Augen schienen auch immer in die Ferne zu sehen und kamen doch nur über den Hof hinaus, wenn der Fuchs sie holte.
    Jonas war froh, als er Brand über den Hof schlurfen sah, das drahtige, graue Haar zerrauft, der Rücken noch krumm. Sie würden einfach anfangen zu misten. Wie jeden Tag.
    Aber dieser war kein Tag wie andere. Mittags lag Brand mit seiner verdreckten Hose auf der Küchenbank und Jonas spielte im Hof. Die Tannenzapfen hatte er in den angetauten Boden gedrückt – Brand hatte sie einmal aus seiner Hosentasche gekramt. Das war der Räuberwald, in dem der Räuber Wieflinger lebte. Der Wieflinger war bloß ein Kiesel, aber für Jonas hatte dieser Kiesel ein Gesicht, und wenn es jemand hätte wissen wollen, dann hätte Jonas eine lange Geschichte über den Wieflinger erzählen können, eine endlos lange Kette von Geschichten. Wie der Wieflinger einmal den Kurier des Königs ausgeraubt hatte. Wie er später aus dem Hühnerstall-Gefängnis floh. Wie er beinahe im Meer einer Pfütze ertrunken wäre und nur davonkam, weil er sich auf ein vorbeitreibendes Floß rettete, das Jonas aus kleinen Zweigen und einem Bindfaden gebaut hatte. Manchmal träumte Jonas sogar vom Wieflinger. Der Räuber war ein unsichtbarer Freund.
    Gerade trat er auf eine Lichtung im Tannenzapfenwald, da bemerkte er, weit hinten auf dem Hügelkamm, die Kutsche. Der Wieflinger lud die Muskete durch, Jonas schnalzte mit der Zunge. Noch war die Kutsche nicht größer als Jonas’ Daumennagel, ein Flecken Schwarz unter dem weiten Grau des Himmels, gerade groß genug für den Räuber. Der Wieflinger ging hinter einem Tannenzapfen in Deckung und schob sich den Hut aus der Stirn. Aber die Kutsche kam näher und hielt geradewegs auf den Hof zu. Bald

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