Die unwillige Braut (German Edition)
Ausnahmen ein", sagte er ernsthaft. "Aber noch nie zuvor habt ihr so empfunden, oder? Nicht einmal, als …" Kunstvoll legte er eine Pause ein, um ihr Zeit zu geben.
"Ich weiß, was Ihr sagen wollt, Bruder, aber um meinetwillen müsst Ihr Euch nicht zurückhalten. Meine Nerven sind ohnehin schon angespannt, und all das gehört der Vergangenheit an. Nein, damals glaubte ich zu wissen, was Liebe ist, aber jetzt weiß ich, dass es nur die Vorstellung war, von einem Mann geliebt und begehrt zu werden. Was ich für Warin empfand, war diesem hier nicht einmal ähnlich. Gerade kürzlich dachte ich darüber nach, welch seltsame Wege das Schicksal geht. Wenn ich ihn geheiratet hätte, dann hätte ich Jude nie gesehen und nie den Schmerz und das Herzeleid gekannt, das die Liebe zu ihm mit sich bringt. Es scheint, als würde ich immer alles verlieren müssen, egal, was ich tue. Meinen Vater, meinen Geliebten, meinen Besitz und jetzt meinen Gemahl. Was kann ich noch verlieren, wenn selbst mein Herz mir nicht mehr gehört? Erstaunt es Euch da, dass ich einen Kampf beginne, um das Unvermeidliche hinauszuzögern?"
"Es ist nicht unvermeidlich", sagte Bruder Alaric. "Und es ist gut, dass Ihr versucht, das Kommando zu übernehmen, selbst wenn es so aussieht, als würden andere Euch kontrollieren. Die Probleme entstehen, weil die Ereignisse nun mal kein Gefühl für Zeit haben, Rhoese. Sie verteilen sich nicht auf handliche Portionen, damit wir Zeit haben, uns an sie zu gewöhnen. Manchmal kommen sie alle auf einmal, gerade wenn wir am verletzlichsten sind. Zuerst habt Ihr den Vater verloren, dann Warin, dann all der Ärger mit Ketti und Euren zerstörten Träumen. Aber jetzt liegt das Glück zum Greifen nahe, Mylady, und Ihr habt erst dann eine Chance, wenn Ihr Jude sagt, wie Ihr für ihn empfindet."
"Irgendwann, vielleicht", flüsterte sie. "Es wäre nicht gut, es ihm jetzt zu sagen, wenn ich gerade die Frau angegriffen habe, mit der er eine Affäre beginnen wollte. Darüber wird er nicht sehr erfreut sein. Wenn er nur …", hier brach ihre Stimme, und die nächsten Worte waren kaum zu verstehen, "… wenn er mich nur so sehr lieben würde wie … wie ich ihn liebe." Und weil sie nicht wollte, dass Bruder Alaric das volle Ausmaß ihrer Verzweiflung sah, raffte sie ihre Röcke und rannte davon.
Sie lief durch die steinernen Gänge des Bischofspalastes und auf der anderen Seite wieder hinaus, durch die Wälder, die die Burg umgaben, weiter hinunter bis zum Ufer des Flusses. Sie stolperte über ihre Röcke, über Eichhörnchen, Schafe und Ziegen, schreckte schlafende Eulen auf und rannte weiter, bis sie nicht mehr konnte, dann ging sie ein Stück, ehe sie wieder zu laufen begann.
Jude wollte ihr sogleich nacheilen, aber Bruder Alaric hielt ihn auf. "Gebt ihr ein paar Minuten, Sir. So lautet mein Rat. Sie wird in ihrer Kammer sein."
Jude sah jene Szene noch genau vor sich. "Warum?" fragte er, die Hände in die Hüften gestemmt. "Warum hat sie es mir nicht gesagt? Sie hat alles falsch verstanden. Zwischen mir und der d'Abbeville ist nie etwas gewesen."
"Diesen Eindruck hatte sie nicht, Sir. Ihr müsst einiges erklären und sehr viel Vertrauen aufbauen. Ich dachte, Ihr solltet wissen, wie sie für Euch empfindet."
"Ja, ihr habt Recht. Ich musste es erfahren." Jude schüttelte den Kopf. "Ich muss sie finden. Aber woher wisst Ihr, denn dass ich Eure Sprache spreche?" fragte er schon halb im Gehen.
"Ich wusste es von Anfang an, Sir. Damals auf dem Hof in York, da sagtet Ihr etwas zu dem Vogt am Tor, ehe Ihr davongeritten seid, und er antwortete Euch. Er erzählte mir davon. Ich wusste, dass Ihr alles versteht, was wir sagen."
"Die Lady Rhoese weiß es also nicht?"
"Nein, Sir." Es gab noch mehr Dinge, die keiner von ihnen wusste. "Was das Buch angeht, Sir, so haben wir herausgefunden …"
Jude war bereits unterwegs. "Ach, zum Teufel mit dem Buch, Mann. Macht damit, was Ihr wollt", sagte er ungeduldig. "Es soll nach Barking", rief er. "Kümmert Euch darum."
"Ihr meint, wir können …"
Etwas lag in Bruder Alarics unvollendeter Frage, das Jude veranlasste innezuhalten und zurückzukommen, als wüsste er, dass es da noch mehr zu sagen gab. Er stand da wie ein junger Bursche, der sich für sein Verhalten rechtfertigen musste und nicht wusste, wo er anfangen sollte. "Seht einmal", begann er entschuldigend, "ich halte es für besser, wenn ich nicht Bescheid weiß."
"Sir?"
Jude betrachtete die verwirrte Miene des Geistlichen.
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