Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
vermissen.«
    Woran Emily schon gar nicht mehr gedacht hatte.
    Mr. und Mrs. Quilp!
    Aurora.
    »Zeigen Sie mir den Weg nach oben?«
    Steerforth zeigte blendend weiße Zähne. »Mehr noch, Miss Laing. Ich werde Sie sogar nach Hause geleiten. Die Welt ist zu unsicher, um eine junge Dame allein reisen zu lassen.« Mit diesen Worten reichte er dem Mädchen die Hand und lächelte.
    Emily erwiderte das Lächeln.
    Ergriff die Hand des Fremden.
    Und ganz so, wie Dorian Steerforth es versprochen hatte, geleitete er Emily Laing hinauf nach London, den ganzen langen Weg bis nach Hampstead zum Haus der Familie Quilp, wo die Besorgnis in der Zwischenzeit stetig gewachsen war. In höchstem Maße erfreut und aufs Äußerste erleichtert, nahmen die Quilps Emily in Empfang und dankten dem gut aussehenden Fremden überschwänglich, der das Kind nach Hause gebracht hatte.
    »Ich hoffe doch, wir sehen uns wieder?« An der Türschwelle hatte Dorian Steerforth Halt gemacht. Höflich verbeugte er sich zum Abschied, sodass sein Mantel leicht den Boden streifte.
    »Wenn Sie möchten!?«
    Später sollte sie sich über ihr Verhalten ärgern. Doch in diesem Moment wusste sie gar nicht, wie ihr geschah. Dorian Steerforth empfahl sich mit einer weiteren Verbeugung, schlüpfte in die Limousine und verschwand im aufkommenden Nebel, ohne sich noch einmal nach dem Mädchen umzudrehen.
    Emily starrte ihm hinterher.
    Dachte an die Narbe.
    An ihr Auge.
    An die vergangenen Stunden.
    Bis Aurora sie bei der Hand nahm und mit sich zog, hinein in die Wärme des Hauses am Streatley Place No. 17.
    Noch am selben Abend suchte ich das Haus der Quilps auf.
    »Unverantwortlich war das von Ihnen«, schimpfte Mr. Quilp mit mir. »Was hätte nicht alles passieren können! Das Kind in die Region zu führen. Meine Güte, das ist eine bodenlose Nachlässigkeit!«
    Mrs. Quilp keifte: »Was ist nur in Sie gefahren? Das Mädchen war völlig verängstigt. Wir haben geglaubt, Sie seien ein verantwortungsvoller Mensch. Master Micklewhite hatte uns das versichert. Ach, ihr seid doch alle gleich. Alchemisten. Haltet euch für etwas Besseres. Unverantwortlich.« Zwischendurch musste sie mehrmals nach Luft schnappen. »Was haben Sie sich nur dabei gedacht?«
    Wir saßen in der Küche.
    Alles war ordentlich und aufgeräumt.
    »Fragen Sie nicht«, entgegnete ich mürrisch.
    Nicht einmal eine Stunde weilte ich wieder in London, und schon musste ich diesen Schwall Beschimpfungen über mich ergehen lassen. Die Angst dieser Leute in Ehren haltend, hatte ich nicht das geringste Interesse an einer derartigen Konversation. Es würde zu nichts führen.
    Ich war müde.
    Erschöpft.
    »Sie sehen nicht gut aus, Wittgenstein«, hatte mich Emily begrüßt.
    Dieses Kind!
    »Danke sehr«, murmelte ich und konnte das Glück darüber, sie wohlbehalten vor mir zu sehen, doch nicht gänzlich verbergen. »Sie sollten zu Kräften kommen«, riet ich ihr. »Wir haben eine Verabredung im Museum. Morgen. Miss Fitzrovia wird Ihnen einiges zu berichten haben.«
    »Es passiert etwas, nicht wahr?«
    Im fahlen, unwirklichen Licht der Küchenbeleuchtung wirkte Emily erschöpft und kränklich.
    »Maurice Micklewhite ist besorgt. Der Lordkanzler von Kensington ist es auch. Ja, es passiert etwas da draußen. Wie dem auch sei, Miss Emily. Denken Sie an das, was uns Epiktet gelehrt hat. Nicht die Dinge selbst beunruhigen die Menschen, sondern die Vorstellung von den Dingen.«
    Eine Tasse heißen Tees stand vor Emily auf dem Tisch.
    Lustlos schnupperte sie daran.
    »Morgen Abend werden wir mehr erfahren«, sagte ich. »Wir werden den Lordkanzler treffen.«
    »Wir haben also eine Verabredung mit dem ägyptischen Totengott?«
    »Sie sagen es.«
    Mit einem müden Lächeln brachte Emily es auf den Punkt: »Toll.«

Kapitel 10
Anubis
    Wir befanden uns in der ägyptischen Abteilung des Britischen Museums inmitten der einst staubbedeckten und heute polierten und geputzten Relikte einer längst vergangenen Epoche. Mumienförmige und ineinander gestellte Sarkophage, Juwelen, Armbänder, Ohrringe und goldene Brustschilde. Bemalte Kanopenvasen, die einstmals die inneren Organe der großen Könige beherbergt hatten, lang gezogene Schiffe, Statuetten des Sonnenkönigs Echnaton, Tonscherben und silberne Kelche. Inmitten all der Vitrinen und Absperrungen überragte die Anubis-Skulptur den gesammelten Prunk eines untergegangenen Imperiums. Der große Kopf des Schakals funkelte in die Schatten, die das dämmerige Licht warf.
    »Wir

Weitere Kostenlose Bücher