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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Sicherheit bringen, doch als mir der Arzt offenbarte, dass eine Narbe zurückbleiben würde, wäre ich am liebsten gestorben.«
    Emily wollte nicht über solche Dinge sprechen.
    Stattdessen lenkte sie ab: »Wie haben Sie diese Viecher hier getötet?«
    »Damit«, sagte er und zeigte dem Mädchen den zylinderförmigen Gegenstand, der silbrig in seiner Hand glänzte und mit einer Kette am Gürtel befestigt war.
    Ungläubig stellte Emily fest: »Eine Pfeife?«
    Er lachte. »Keine besonders einschüchternde Waffe, nicht wahr?«
    In der Tat, das war sie nicht gerade.
    »Eine gewöhnliche Pfeife?«
    »Nein. Dafür eine, die besonders schrille Töne in einer sehr hohen Frequenz erzeugt«, erklärte er. »Ähnlich den Tönen, die eine Hundepfeife fabriziert.«
    »Sie meinen, wir können die Töne nicht hören?«
    »Aber die Hymenopteras. Und was sie hören, gefällt ihnen gar nicht, das können Sie mir glauben. Es macht sie rasend, und wenn sie nicht schnell genug das Weite suchen, dann töten die Töne sie. Um Ihrer Frage zuvorzukommen, ich habe keine Ahnung, wie die Pfeife wirkt. Schließlich bin ich kein Biologe der tieferen Schichten. Dass sie wirkt, steht jedoch außer Frage.«
    »Immerhin.«
    Manchmal war die Welt einfacher, als es den Anschein hatte.
    »Ich habe es sozusagen zufällig herausgefunden, und seitdem trage ich die Pfeife immer bei mir. Man kann nicht vorsichtig genug sein hier unten. Dieser Teil der Region ist kein Spielplatz. Was mich zur nächsten Frage führt: Was führt ein so junges Ding wie Sie in diese entlegene Gegend, wenn auch, wie Sie eben erwähnten, in Begleitung eines Mentors?«
    »Wir wollten uns das Amphitheater anschauen«, antwortete Emily vage.
    »Anschauen?«
    »Ja.«
    »Sie hatten Glück.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Ihr Mentor nicht unbedingt.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich habe Wege vermessen«, erklärte er. »Drüben beim alten Viadukt. Da hörte ich das wütende Kreischen der Hymenopteras. Ich fragte mich, wer so verrückt sein konnte, sich ins Revier der Insektenartigen zu begeben. Also eilte ich hierher und unterwegs vernahm ich einen Schrei.«
    »Wittgenstein«, flüsterte Emily.
    »Inmitten des Amphitheaters liegt der Abgrund«, stellte Steerforth trocken fest und beobachtete Emilys Reaktion. »Hatten Sie etwa auch vor, den Abgrund zu besichtigen?« Bohrend hakte er nach: »Sie haben doch vom Abgrund gehört?«
    »Sie meinen das Loch in der Mitte des Theaters?«
    »Ich meine den Abgrund, ja.«
    »Das bodenlose Loch, das irgendwohin führt, aber niemand weiß genau, wohin?«
    »Eben jenes.«
    »Eine Gestalt lag neben dem Abgrund. Da wo einst die Bühne des Theaters gewesen ist.«
    Verwundert sah Steerforth auf. »Eine Gestalt, sagen Sie?«
    »Sie war groß.«
    »Groß?«
    »Und leblos.«
    »Ein Mensch?«
    »Sie sah nicht wie einer aus.«
    »Sondern?«
    »Irgendwie … anders. Seltsam.«
    Emily beschloss, den Begriff Golem nicht zu erwähnen.
    Steerforth schien ihr mit einem Mal sehr neugierig zu sein.
    »Normalerweise verirren sich Reisende nicht gerade in diese Gegend«, murmelte er nachdenklich. »Das ist der Grund, weshalb neue Karten angefertigt werden müssen. Die Region soll für die Tunnelstreicher wieder attraktiv gemacht werden. Immerhin liegt sie genau unterhalb der City von London und stellt somit einen verkehrstechnisch wichtigen Knotenpunkt dar. Zumindest wenn man sich in der Tiefe fortbewegt. Deswegen frage ich mich, was augenblicklich los ist. Seit mehr als einem Jahr arbeite ich hier unten, und keine Menschenseele hat sich in all den Monaten hierher verirrt. Heute taucht dann mit einem Mal ein kleines Mädchen samt Mentor auf und behauptet, den Abgrund besichtigen zu wollen.«
    »Das Theater«, verbesserte Emily ihn.
    »Gut. Das Amphitheater also. Wo zudem noch eine Gestalt gewesen sein soll.«
    »Eine leblose Gestalt.«
    »Die vermutlich den Insektenartigen zum Opfer gefallen ist.«
    Emily überlegte, ob das, was Steerforth sagte, Sinn ergab.
    »Warum sind so viele Hymenopteras im Amphitheater? Ich meine, warum ausgerechnet dort?«
    »Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Vielleicht sind sie dem Abgrund entstiegen. Wenn man den Geschichten, die man sich hier unten erzählt, Glauben schenken kann, dann leben die Insektenartigen in den unteren Schichten. Und irgendwohin muss ja selbst der Abgrund führen, oder?!«
    Anzunehmen, dachte Emily.
    Steerforth sah sich wachsam um.
    Dann richtete er seinen Blick erneut auf Emily.
    »Irgendjemand wird Sie

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