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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Sie.«
    Tja.
    »Darf ich Ihnen eine Geschichte erzählen?«
    Jetzt blickte sie auf.
    Wenn auch nur kurz.
    »Was für eine Geschichte?«
    Ein Taxi hupte, und eine Traube Passanten schob sich auf dem schmalen Gehweg an uns vorbei.
    »Als der Senat von mir verlangte, meine spezielle Gabe einzusetzen«, sagte ich, »da weigerte ich mich.« Es schien an der Zeit zu sein, dem Mädchen davon zu berichten. Irgendwie erschien es mir passend, dies nach des Engels Geschichte zu erzählen. Ging es nicht auch in meinem Fall um Ungehorsam und Starrsinn?
    Interessiert wollte Emily wissen: »Was genau haben sie von Ihnen verlangt?«
    Das Kind wusste, von welcher Gabe ich sprach. Gegenstände allein mit Gedankenkraft zu bewegen, war von Beginn an die Fähigkeit gewesen, die mich als Trickster ausgezeichnet hatte.
    »Seit alters schon war dem Senat daran gelegen, Trickster zu rekrutieren, um die uralte Metropole zu schützen«, begann ich zu erzählen. »Mein Talent, Dinge zu bewegen, wäre von großem Nutzen gewesen.« Ich sprach nicht von den Gegenständen, an die man zwangsläufig denkt, sondern davon, sich auf die inneren Organe eines Menschen zu konzentrieren. Was würde geschehen, wenn jemand den Herzmuskel eines Menschen allein kraft seiner Geisteskraft zu fassen bekäme? Was geschähe, wenn er zudrücken würde, so fest es ihm nur möglich wäre?
    Entsetzt blieb Emily stehen.
    Und starrte mich an.
    »Dazu sind Sie fähig?«
    Einige Passanten schimpften, weil wir den Gehsteig blockierten.
    »Ein ausgewähltes Training wäre dazu nötig gewesen.« Die Erinnerung an jene Zeit war alles andere als angenehm. »Dem ich mich verweigerte.« Das ängstliche Gesicht des Mädchens vor Augen wurde ich konkreter: »Nein, Miss Emily. Ich bin ein einfacher Trickster, der die Dinge nur bewegen kann. Bloß Sachen. Ich bin Alchemist, kein gelernter Mörder.«
    Emily atmete auf.
    Ganz blass war sie um die Nasenspitze herum geworden.
    »Wird man von mir Ähnliches verlangen?«
    Ich beschloss ehrlich zu ihr zu sein. »Ja, wird man, früher oder später.«
    »Der Senat?«
    »Ja. Noch immer rekrutiert er Talente für die Rote Garde.«
    »Aber was kann ich dagegen tun?«
    Das Gleiche, was ich auch getan hatte. »Bleiben Sie standhaft«, schlug ich vor.
    Wenngleich dies einfacher klang, als es war.
    Noch gut erinnerte ich mich an die Anhörung. Ein verschüchterter Junge war ich gewesen. Fünf Männer in scharlachroten Roben und mit langen, weißen Perücken hatten mich mehrere Stunden lang befragt. Ob ich ein treuer Bürger der uralten Metropole sei, hatten sie wissen wollen. Bissig wurden die Fragen gestellt. Wie ich zur Regentin stünde. Welche Pläne ich für die Zukunft habe. Warum ich mich zu verweigern gedachte. Ob ich wüsste, wie unehrenhaft mein Verhalten sei. Weshalb meine Mentorin mich nicht besser ausgebildet habe. Ob ich nicht zutiefst Dank empfände, weil man mir erlaubt habe, in London eine Ausbildung zu absolvieren und ein Heim zu finden. Wer mir die fixe Idee, Alchemist zu werden, ins junge Hirn gepflanzt habe. Wie ich gedächte, meiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen. Wie ich zur Garde stünde, die die uralte Metropole doch vor allem Übel zu schützen gedachte.
    Und so weiter.
    Stunde um Stunde.
    Ohne Pause.
    »Dann wurde Mylady befragt.«
    »Was hat sie gesagt?«
    »Sie hat zu mir gehalten.«
    Ähnlich wie im Fall Maurice Micklewhites hatte man auch der Rättin angedroht, ihr Hab und Gut zu pfänden. Es sei unehrenhaft, sich einen Schüler zu erwählen und diesen dann nicht adäquat nach dem Kodex der uralten Metropole zu unterrichten. Der Kodex der uralten Metropole, hatte sich Mylady einzuwerfen erdreistet, sei jedoch nicht gleichzusetzen mit dem Kodex des Senats. Folglich verstoße sie nicht gegen den Kodex der Metropole und Mortimer Wittgenstein, ihr gelehrsamer Schüler und Ziehsohn, ebenso wenig. Unzählige weitere Fragen hatte die Rättin über sich ergehen lassen müssen, was sie geduldig getan hatte.
    War standhaft geblieben.
    Deine Zukunft, Mortimer
, hatte sie mir später eingeschärft,
gehört dir allein
. Die schwarzen Knopfaugen hatten weise gelächelt.
Kein Senat wird dir sagen, was du zu tun hast. Folge deiner Intuition. Und bedenke immer: Es gibt keine Zufälle. Nimmer
.
    So wurde ich Alchemist.
    Einer der letzten dieser fossilen Wissenschaftler.
    »Mylady hatte Kontakte zur eisernen Lady, die damals die uralte Metropole regierte.«
    Welche die Rättin nutzte.
    Man behelligte uns nicht weiter.
    Wenngleich, das

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