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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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gehoben worden. Von den Steinen und Straßen der Stadt selbst ging ein seltsames Licht aus, und eine Zeit lang war London wie verwandelt. Fast schien es, als wiederhole sich der große Brand von 1666. Der Pöbel schien nur einen einzigen Vorsatz zu haben, nämlich die Stadt in einen Flammenkreis einzuschließen.
    Dann setzte der Senat die Truppen ein. Wahllos schossen die Soldaten in die Menge.
    Am Morgen war es vorüber.
    Vorerst.
    Die Unruhen hatten weder einen Anführer gehabt noch einen realen Zweck verfolgt außer dem der Zerstörung. Es war eine plötzliche Wut gewesen, die Gestalt angenommen hatte in den hasserfüllten Gesichtern vieler. Woher diese unermessliche Wut gekommen war, konnte im Nachhinein nur mehr gemutmaßt werden. Grausame Stunden waren es gewesen, und viele Menschen hatten ihr Leben lassen müssen.
    Seit mehr als einem Jahrhundert hatte London kein derartiges Blutvergießen mehr erlebt.
    Niemand hatte damit gerechnet, dass etwas Derartiges je geschehen könnte.
    Und niemand hätte damals geahnt, dass dies erst der Anfang gewesen war.
    Erst Monate später, nachdem die Aufstände immer noch nicht nachgelassen, sondern vielmehr an Heftigkeit gewonnen hatten, traf sich Mylady Eleonore Manderley mit Seiner Lordschaft Hyronimus Brewster. Nach draußen in die Straßen Londons hinauszugehen war mittlerweile mit erheblichen Gefahren verbunden, und so hatte es Mylady bereits seit langer Zeit unterlassen, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Die alte Ratte aus Smithfield musste sie daher in Manderley Manor aufsuchen, wo das Tier feist auf der Armlehne eines Sessels im großen Kaminzimmer hockte und der Herrin des Hauses einen Vorschlag unterbreitete.
    Nur wenige Augenblicke später ließ die Hausherrin Seine Lordschaft nach draußen geleiten.
    Unmöglich, was ihr da vorgeschlagen worden war!
    Sie dachte bereits jetzt mit wachsender Sorge an ihre Tochter, die sich entgegen aller Warnungen immer noch in der Stadt herumtrieb, sich womöglich wieder mit diesem Menschen traf, diesem ärmlichen, rothaarigen Bohemien aus Lancashire. Wie so oft schon hatte Eleonore Manderley auch an diesem Morgen einen Disput mit ihrer Tochter wegen des Burschen vom Zaun gebrochen. Er sei Komponist, wurde Mia niemals müde, ihr vorzuschwärmen, mit all dem jungmädchenhaften Esprit und der Dummheit eines gerade ins gesellschaftsfähige Alter gekommenen Mädchens, Eigenschaften, an die sich Eleonore kaum mehr zu erinnern vermochte.
    Eleonore missbilligte den jungen Mann, der einfach keine gute Partie für ihre Tochter war. Richard Swiveller, wie sehr sie diesen Namen verabscheute! Er traf sich heimlich mit Mia und das, obwohl er wusste, dass ihre Mutter sich eindeutig dagegen ausgesprochen hatte.
    Jedoch …
    Verglichen mit dem wahnwitzigen Plan, der ihr von der Ratte unterbreitet worden war, hatte die Vorstellung, ihre Tochter könne sich mit dem Komponisten vermählen, fast schon etwas Reizvolles. Durch eine Verbindung der elfischen Blutlinien mit den Mushrooms sollte Frieden geschlossen werden.
    Was hatte sich Lord Brewster nur dabei gedacht? Niemals würde sie ihre Tochter mit dem Sohn des Mörders ihres Gatten vermählen. Allein anzunehmen, sie könnte diese Möglichkeit auch nur in Betracht ziehen, war beleidigend.
    Wie stolz Nicodemus gewesen wäre, hätte er seine hübsche Mia jetzt sehen können. Und wie eifersüchtig er doch wäre, belächelte Eleonore kurz den Gedanken, ihr Mann wäre mit dem Komponisten konfrontiert worden. Letzten Endes und jenseits allen Standesdünkels wünschte Eleonore ihrer Tochter alles Glück dieser Welt. Während London zu zerfallen drohte, fand Mia in den Straßen der Stadt einen arbeitslosen Komponisten, der sie vergötterte. Dass dem so war, konnte selbst Eleonore nicht bestreiten. Wie verhielt sich eine besorgte Mutter in einer derartigen Situation? War dieser Richard Swiveller nicht ein Mensch und von niederem Stand obendrein? Und geziemte es sich etwa für eine junge Adelsdame, derartigen Umgang zu pflegen? Selbst Miss Anderson, Gesellschafterin auf Manderley Manor und Mentorin ihrer Tochter, missbilligte diese Liaison. Doch ernteten sowohl Mutter als auch Mentorin nur den Trotz der ungestümen Mia, die sich, wie die Späher berichteten, noch immer mit dem Bohemien traf.
    Mylady Eleonore Manderley seufzte.
    Sie stand am Fenster und blickte zum Regent’s Park hinaus.
    Die uralte Metropole, dachte sie traurig, ist im Wandel. Und die Zukunft würde nichts Gutes bringen. Im Süden

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