Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
die Pflanzen am Felsgestein festzukrallen vermochten. Emily ging dicht hinter mir und hielt sich mit beiden Händen an meinem Mantel fest. Sobald eine der Pflanzen näher kam, wichen wir zur Seite aus.
    »Nach ihnen zu schlagen«, hatte ich Emily empfohlen, »wäre nicht ratsam.«
    Am Ende des Eisblumentunnels wurden wir einer Lichtquelle gewahr, und ich bat Dinsdale, in meine Manteltasche zu schlüpfen. Kurz darauf blickten wir von oben in eine gewaltige Höhle, in der seltsam anmutende Maschinen lärmend ihrem Tagewerk nachgingen. Das Eis war gänzlich aus dieser Höhle vertrieben worden, denn es war Wärme, was die Maschinen da produzierten. Die Höhlendecke war mit Wölkchen bedeckt, die sich wie feiner Nebel gebärdeten, alles einlullend und umhüllend. Inmitten der Höhle erhob sich ein stattliches Herrenhaus. Mit den Erkern und Türmen und hohen Fenstern sah es beinah aus wie ein dunkles Abbild Manderley Manors. Ein permanenter Nieselregen durchtränkte die Luft. Eisblumen und andere Gewächse bedeckten Boden und Wände der Höhle.
    »Dies ist nicht mehr die Hölle.« Ich hatte Emily zur Seite gezogen, unter einen Felsvorsprung, der uns vor den Augen der Gestalten verbarg, die sich dort unten tummelten. »Wir befinden uns wieder in der uralten Metropole.«
    Golemkrieger standen da unten in Reih und Glied.
    Eine ganze Legion war es.
    Hünenhafte Kreaturen, auf deren menschlichen Körpern Stierköpfe saßen, schritten die Reihen ab.
    »Andabataekämpfer«, raunte ich.
    »Nie davon gehört.«
    »Minotauren!«
    Dem Nyx untertan, mit Leib und Seele.
    Wer hätte gedacht, dass es sie wirklich gibt?
    »Hat Mushroom Manor den Tunnel mit den Eisblumen geschaffen?«, fragte Emily leise.
    »Sie dringen von hier aus in die Hölle vor.«
    Nur diese Strategie würde einen Sinn ergeben. Lord Mushroom hatte eine Verbindung zur Hölle herstellen lassen, um sie von diesem Ort aus okkupieren zu können. Die Truppen würden dann weiter in die uralte Metropole vordringen und auf die Söldner stoßen, die von Norden her nach London eindrangen. Hinzu kämen die Golemkrieger, die dem Abgrund in der Region entstiegen. London und die uralte Metropole würden in die Zange genommen werden.
    »Dort drüben«, beschrieb ich Emily die Umgebung, »steht Mushroom Manor.«
    Derjenige Teil zumindest, der sich in der uralten Metropole befand.
    Ein Herrenhaus, erbaut aus Quadern schwarzen Steins, den man vor Ewigkeiten dem dunklen Fluss entrissen hatte. Rötlich schimmerndes Licht flackerte im Innern des Anwesens. Moos, das erkannte man von unserem Standort aus, bedeckte die Dächer. Nass glänzend nahe den Feuern, die überall an den Wänden entzündet worden waren und die geräumige Höhle in unruhiges Licht tauchten, das allseits Schatten gebar.
    »Möchten Sie es sehen?«
    Emily drehte verdutzt den Kopf in meine Richtung.
    »Darf ich?«
    »Ganz kurz nur.« Mit beiden Händen suchte ich Halt. »Und sehen Sie sich nicht selbst an.«
    Das würde sie bestimmt nicht tun. Die Übelkeit, die sich ihrer bemächtigt hatte, als sie in Auroras Bewusstsein einzudringen versucht hatte, war ihr noch gut im Gedächtnis.
    »Schauen Sie genau hin«, riet ich ihr.
    Und spürte, wie mein Geist die Trickster willkommen hieß. Mühelos glitt mir Emily in den Verstand hinein und machte sich meine Sinne zunutze. Blickte erstaunt durch ihres Mentors Augen auf Mushroom Manor. Düster war es, wie sie es sich vorgestellt hatte. Voller Schatten, und selbst das Licht, das rötlich und matt die Räume hinter den schwarzen Gardinen illuminierte, nährte diesen Eindruck. Dies also war der Ort, an dem ihre arme Mutter den Verstand verloren hatte. Emilys Erinnerung an das Ding, das oben in der Dachkammer Manderley Manors gehaust hatte, wurde mir offenbar, als sie sich in meinem Kopf befand. Und es war schrecklich, was das Kind da hatte mit ansehen müssen.
    Dann sah sie den Abgrund.
    Zwischen dem Ort, an dem wir uns befanden, und dem Anwesen öffnete sich ein riesiges Loch in der misshandelten Erde. Neonröhren, die an riesigen Metallgestellen von der Höhlendecke baumelten, beleuchteten den Rand des Abgrunds. Ein mulmiges Gefühl beschlich Emily beim Anblick des Abgrunds. Ein Schwindel und gleichzeitig ein Gefühl, als sei ihr dies alles vertraut. Als habe sie diesen Abgrund bereits einmal gesehen. Als sei sie schon einmal hier gewesen.
    Dann, mit einem Mal, war da jemand.
    Hinter uns.
    Jemand, der mich kannte.
Mortimer Wittgenstein!
    Eine Stimme, die ich lange nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher