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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Nekir über ihnen.
    Sprang.
    Warf die Kinder mit aller Kraft zu Boden.
    »Der Stachel!«, warnte Aurora.
    Und Neil sah, wie sich der Hinterleib des Nekir krümmte, und hörte, wie der Stachel über das Eis schabte. Beinah glaubte er, das Gift riechen zu können. Ätzend wie Jod in einer offenen Wunde. Ein letztes Mal blickte er in die Augen des Mädchens, um derentwillen er hierher gekommen war. Die ihn in die Hölle hinabgetrieben hatten. Er würde niemals die Weltmeere befahren, so viel war sicher. Stattdessen stach der Geruch der trockenen Insektenhaut in die Nase des Jungen, süßlich und irgendwie an Wüste erinnernd, und vermischte sich mit dem Odem des Giftes zu einer Wolke, die Neil beinah würgen ließ.
    Dann stürzte der Nekir.
    Unverhofft.
    Schrill kreischte er dabei.
    Die rauen Spinnenbeine zuckten im Todeskampf, und Neil wälzte sich so schnell es ging zur Seite, um nicht von dem massigen Körper erdrückt zu werden. Aurora, das sah er, wurde von einem wild um sich schlagenden Bein der Kreatur getroffen und gegen die Tunnelwand geschleudert. Laut schrie sie auf. Hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Oberschenkel.
    Neil, der auf dem Rücken lag, erschrak.
    Jemand griff nach seiner Hand.
    Erstaunt blickte Neil in das Antlitz des Tunnelstreichers.
    »Mièville?«
    »Meinen Namen habt Ihr also nicht vergessen.« Mit einer schwungvollen Bewegung zog der Mann den Jungen von dem sterbenden Nekir weg. Dann ging er zu dem Nekir und entfernte ein langes Wurfmesser aus dem Kopf der Kreatur. »Ihr hattet Glück«, sagte Mièville, der nun neben Aurora kniete und ihr Bein begutachtete, »dass ich in der Nähe war.«
    »Wisst Ihr, was mit Emily geschehen ist?« Aurora schien ihr Bein gar nicht mehr zu spüren.
    »Zuletzt sah ich sie gemeinsam mit Wittgenstein den Schauplatz des Kampfes verlassen.«
    »Dann haben sie es geschafft?«
    Mièville war Realist. »Vielleicht.«
    Aurora erhob sich. Humpelte ein wenig.
    »Könnt Ihr gehen?«
    Sie nickte.
    »Dann los!«
    Mièville war niemand, der viele Worte verlor.
    Auf die Frage, wie er den Nekir hatte entkommen können, antwortete er nur: »Ich bin ein Tunnelstreicher. Ich kenne Wege und ich kenne Mittel.« Sein Gesicht blieb dabei ausdruckslos und die Augen ernst.
    So waren sie tiefer in die Hölle vorgedrungen und irgendwann an dem Ort gelandet, an dem sie sich momentan befanden. Wo sie staunend die Fresken an den Wänden und an der Decke anstarrten und sich Aurora an die Limbuskinder erinnerte, die einst aus diesen Fresken geboren worden waren. Noch immer gab diese Höhle einem das Gefühl, als habe jemand die Kuppel einer riesigen Kathedrale abgeschnitten und irgendwie unter die Erde geschafft.
    Pairidaezas Kathedrale, so hatte Lucia del Fuego diesen Ort genannt.
    Der Lebensbaum, der seit Auroras letztem Besuch hier unten erheblich gewachsen war, kratzte mit den Ausläufern seiner knorrigen Zweige über die Kuppel. Überall rankten die knorrigen Äste in den Raum, machten aus der Höhle einen Dschungel. Die Wurzeln, die in ständiger Bewegung waren, schienen über den Boden zu kriechen und nach Beute Ausschau zu halten. Etwas bewegte sich unter der alten, von schwarzem Moos befallenen Rinde. Etwas, das den Baum lebendig machte. Von den Ästen baumelten lianenartig windende Auswüchse herab. Die Blätter, die nicht wirklich wie Blätter aussahen, wirkten ausgetrocknet und kränklich.
    »Der Lebensbaum«, flüsterte Aurora.
    Pairidaezas Stock.
    Hier hatte sich Lucia del Fuego als Master Lycidas entpuppt. Hier hatten die Ratten versucht, den Lebensbaum zu vernichten, und waren doch der Übermacht aus Nekir und Limbuskindern erlegen.
    »Kinder! Schnell!«
    Noch benommen von dem Anblick, der sich ihm bot, und dem Kuss, der seine Wangen zum Glühen brachte, sobald Aurora ihn auch nur ansah, reagierte Neil nur langsam auf die Warnung des Tunnelstreichers.
    »Rattlinge!«
    Mièville, der die Rattlinge als Erstes erblickt hatte, zog die Kinder schnell in einen Alkoven neben dem Höhleneingang, wo sie vor den Augen derer, die sich in Pairidaezas Kathedrale herumtrieben, verborgen bleiben würden.
    Vorerst zumindest.
    »Seht Ihr?« Mièville deutete auf eine Stelle hinter dem Lebensbaum, wo die sich fortwährend bewegenden Äste des Baumes tiefe Schatten warfen.
    »Ein Wyrm.« Neil kannte diese Wesen aus Büchern, war allerdings niemals einem begegnet.
    Der Wyrm, dessen madenartiger Körper im Licht der Fackeln noch bleicher wirkte, als er ohnehin war, wand sich dort

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