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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Aphrodit. Der Nocnitsa. Der Führer der Golemkrieger. Dann tauchte vor ihr ein anderes Gesicht auf. Bleich. Verschlagen. Züge, die sie mit der Stimme in Verbindung brachte, die sie eben noch vernommen hatte und die jetzt schwieg.
    Zum ersten Mal erblickte Emily Laing das Gesicht des Mannes, der ihre Mutter in den Wahnsinn getrieben und ihre Schwester entführt hatte. Der das Verderben nach Manderley Manor gebracht hatte.
    Dann explodierten die Bilder.
    Photofetzen flatterten wie Fledermäuse in ihren Verstand. Ein guter Mann, der aufgebahrt dalag, zu seinen Füßen eine Frau, die von ihrer Tochter gestützt werden musste. Ohne Mühe erkannte Emily ihre Großmutter, die Herrin von Manderley. Daneben Mia Manderley, die jung war und trotz der Trauer überaus hübsch. Dann zerriss jemand das Bild, und Emily sah einen Sitzungssaal. Eine Rotunde. Ein Elf sprach Worte, die Emily nicht verstehen konnte, vor einer Versammlung aus seltsamen Gestalten, von denen das Mädchen während seiner Wanderungen durch die uralte Metropole noch keine einzige gesehen hatte. Maurice Micklewhite also, wie er im Senat ein ernsthaftes Anliegen vortrug. Dann erneut Steerforth, der in den Abgrund hinabstieg.
    »Emily!«
    Rief da jemand nach ihr?
    Aus der Ferne?
    Sie blinzelte. Und Finsternis umfing sie. Nur einen Moment lang war Emily irritiert.
    Ja, sie hatte die Augen geöffnet.
    Doch Licht war da keines.
    Erschrocken erkannte sie, was sie da eben gesehen hatte. Was es bedeutete. Bilder, die niemand hatte kennen können, waren ihr offenbart worden. Schmerzvolle Erinnerungen, die Mara besaß. Doch woher? Letzten Endes gab es nur eine einzige Möglichkeit. Während ihrer Zeit in Manderley Manor hatte sie ihr Trickstertalent genutzt und war in den Geist ihrer Großmutter eingedrungen. Hatte in dem fremden Haus nach Räumen gesucht und sie auch gefunden. Räume, so groß und weit und verzerrt, dass sie gar nicht in ein richtiges Haus zu gehören schienen. Und Mara hatte sich den Verstand ihrer Großmutter als ein Haus vorgestellt. Dunkel und labyrinthisch. Wie oft musste sie sich in den Korridoren verlaufen haben? Emily hatte dieses Haus in ihren Träumen gesehen. Die langen Gänge mit den Kerzenhaltern. In jedem der Räume hatte die kleine Mara Erinnerungen vorgefunden. Bilder, die jemand dort abgestellt hatte. Bilder von Tod und Verderben und Liebe und Hass und dem Leid, das die Whitechapel-Aufstände über das Herrenhaus am Regent’s Park gebracht hatten. Für die kleine Mara war das Haus dieser Erinnerungen dem wirklichen Manderley Manor sehr ähnlich gewesen. Schwere Erinnerungen lagen unter den weißen Laken verborgen, die jemand über sie ausgebreitet hatte. Sorgsam hatte man die Bilder, deren man sich niemals mehr erinnern wollte, in Schubladen verstaut. Mara jedoch war, wenn ihre Großmutter schlief, durch dieses Haus gewandelt. Türen hatte sie geöffnet und Schränke und Schubladen und Kommoden durchstöbert, die angefüllt waren mit Dingen, von denen man den Staub hatte abklopfen müssen.
    Sie hatte das alles gesehen und nicht einmal verstanden, was es zu bedeuten hatte. Nicht wirklich. Denn in dem düsteren Haus herrschte ein heilloses Durcheinander. Wie auch in Mylady Manderleys Verstand.
    Die ganze Zeit über, dachte Emily, hat mich die Kleine an ihren Erinnerungen teilhaben lassen. Die Furcht, die auch Emily gespürt hatte, wenn sie von langen Korridoren geträumt hatte. Wenn sie aus Räumen zu fliehen versucht hatte und anschließend weinend erwacht war. Emily hatte es einfach nicht verstanden. Sie hatte gedacht, es handele sich um das reale Manderley Manor.
    Miss Anderson, erinnerte sie sich, war immer in den Träumen aufgetaucht. In wirklich jedem Traum. Deswegen hatte Emily geglaubt, es sei die Wirklichkeit, die sie da erblickte. Eine Frau hatte geschrien, und Emily hatte geglaubt, es sei Mia gewesen, ihre Mutter, die wie ein tobsüchtiges Tier die Stille in dem großen Haus zerriss.
    »Emily!«
    »Ja?«
    »Wo sind Sie?«
    Sie schluckte.
    Antwortete: »Na hier, bei Ihnen.«
    Dieses Kind!
    Mit weißen, verdrehten Augen stand sie da.
    »Es geht mir gut«, log sie.
    Fing die Gedanken ein, die sie bestürmten.
    Miss Judith Anderson war schon damals die Hausdame Manderley Manors gewesen. Ja, so musste es gewesen sein. Es war Mylady selbst, die sich in ein Zimmer in den oberen Stockwerken eingeschlossen hatte, um sich ihrer Verzweiflung hinzugeben. Die den Tod ihres Mannes betrauerte. Die sich vor den Entscheidungen fürchtete, die

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