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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Kathedrale.
    Der Tunnelstreicher rannte auf den Abgrund zu, und die Kinder, denen nichts anderes übrig blieb, folgten ihm. Neil Trent warf Aurora Fitzrovia einen letzten Blick zu, als sie gemeinsam über die wild schlagenden Wurzeln sprangen. Rattlinge fauchten, und Nekir kamen ihnen hinterher.
    Mièville wurde von einem Limbuskind zu Fall gebracht. Schlug um sich. Löste sich aus dem Griff der Kreatur. Stürmte auf das Loch im Boden zu. Verwirrt stellte sich Neil die Frage, die er die ganze Zeit über auszusprechen versäumt hatte. Wie würden sie in den Abgrund hineingelangen?
    Der Tunnelstreicher, der kopfüber in dem Loch verschwunden war, schien die Antwort gefunden zu haben.
    Nur Sekundenbruchteile später blickte auch Neil Trent in den Abgrund hinein. Ein warmer Wind wehte ihm von tief unten ins Gesicht. Die Geräusche im Hintergrund verstummten. Aurora war bei ihm. Ein Schatten bewegte sich auf die Kinder zu. Dann wurden beide vom Abgrund verschluckt.

Kapitel 17
Blackheath
    Als Emily Laing vor dem Abgrund stand und den lang gezogenen Schrei tief unten in der Finsternis verebben hörte, da bestürmte sie erneut jene Bilderflut, die ihr schon beim ersten Mal schier den Atem geraubt hatte. Erneut erblickte sie das dunkle Haus, Mushroom Manor, in seiner ganzen verderbten Pracht. Nicht durch ihre eigenen Augen, nein, denn die waren noch immer ohne Licht. Auch waren es nicht die Augen der kleinen Mara Manderley, die Emily einen weiteren Blick auf Blackheath geschenkt hatten. Das, was sie sah, war die verblassende Erinnerung Martin Mushrooms. Der letzte Blick, den er auf das Anwesen hatte werfen können.
    Lord Mushroom hat damit gerechnet, dass Sie hier auftauchen.
    Mit diesen Worten hatte es begonnen.
    Lord Brewster, den Emily Laing im Waisenhaus von Rotherhithe getroffen hatte, an einem Tag, der unendlich lange her zu sein schien, forderte uns beide auf, ihm zu folgen. Die Rattlinge in seinem Gefolge, die angriffslustig zischten, ließen uns keine Wahl.
    Wir traten in die Höhle von Blackheath hinaus.
    Befanden uns wieder in der uralten Metropole.
    »Es sieht so aus«, murmelte ich, »als würden wir Seiner Lordschaft vorgestellt werden.«
    Lord Brewster pfiff zwei der Andabataekämpfer herbei, die mit ihren schweren Äxten und den Morgensternen, die an den dicken Ledergurten hingen, nicht unbedingt freundlich gesinnt wirkten. Die Stierköpfe, aus denen lange Hörner ragten, drehten sich wachsam in alle Richtungen.
    Sonst ist niemand hier
, sagte die Ratte.
Ihr könnt mit dem Marsch beginnen.
    Einer der Stierkämpfer brüllte den Befehl an seine bei den Golems wartenden Artgenossen. Augenblicke nach dem Schrei setzten sich die ersten Regimenter in Bewegung. Angeführt von den Andabataekriegern drangen sie in den Tunnel mit den Eisblumen ein.
    Emily, die nur das Getrampel der vielen Füße hörte, ahnte Schlimmes.
    »Wie sollen wir hier nur wieder rauskommen?«
    Dieses Kind!
    »Fragen Sie nicht.«
    Wir folgten unserer Eskorte bis hinüber zum Haus, wo wir auf einen hageren Mann trafen, dessen weißes Haar ihm lang und glatt über die Schultern fiel. Verschlagene Augen musterten uns durch die Brille aus rotem Glas, die auf einer krummen Nase saß. Der Gehstock, den er benutzte, war silbern mit einem Knauf in Form einer Kröte. Der Mann sprach mit einem der Andabataekrieger, trug ihm etwas auf in einer Sprache, die ich nie zuvor vernommen hatte.
    Dann wandte er sich uns zu.
    Lächelte.
    »Ah, Master Wittgenstein.« Allein die Betonung, mit der er die Worte ausspie, kündete von seinem Wesen. »Es ist mir eine Freude.« Er lächelte wie ein Hai, der seine Beute erblickt. »Emily Laing, wie es mich freut, auch Sie endlich kennen zu lernen.« Die Freundlichkeit, mit der er dem Mädchen übers Haar strich, ließ sogar mich frösteln. »Der Wechselbalg, den mein Weib mit dem Künstler gezeugt hat.« Mit einer leichten Andeutung von Ekel zog er die Hand zurück.
    Ich sah zu Lord Brewster, der an unserem Gegenüber hinaufgekrochen war und nun abwartend auf Lord Mushrooms Schulter hockte. Die Knopfaugen der Ratte lauerten. Die Güte, die ich einst in ihnen gesehen hatte, war wohl nicht mehr als ein Trugbild gewesen.
    Über welches Wissen verfügte Lord Brewster?
    Ich erinnerte mich daran, wie Emily und mir auf dem Weg nach Manderley aufgegangen war, dass sie und Mara Schwestern waren. Die Ratte musste sich noch in dem Glauben befinden, dass Emily und Mara Halbschwestern seien. Dass auch Mara die Tochter von Mia Manderley

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