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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Verhalten hinauslief.
    »Sie formen einen Körper«, flüsterte sie beeindruckt.
    »Es ist ein Spinnenmann«, sagte ich ihr.
    Hunderte kleiner Spinnen hatten binnen kurzer Zeit einen Körper geformt, der dem eines Menschen ähnlich war. Die Gestalt hatte Beine, Arme, einen Hals und einen Kopf, bestehend aus unzähligen schwarzen, winzigen Leibern, die einander festhielten, übereinander hinwegkrabbelten, gemeinsam agierten. Hunderte von Mandibeln schnappten gleichzeitig auf und zu und formten auf diese Weise Worte, die denen eines Menschen ähnlich waren.
    »Seid uns willkommen, fremde Wanderer«, knackte es aus hundert Mündern. »Was sucht Ihr in diesen Breiten?«
    »Ein Kind«, antwortete Maurice Micklewhite mit ruhiger Stimme.
    »So berichtet von Eurer Suche, Elf!«
    Maurice Micklewhite tat, wie ihm geheißen wurde.
    Er berichtete von der kleinen Mara und den Wölfen, von der Vision Emilys und dem toten Lykanthropen, der noch immer wie der stumme Zeuge einer vergangenen Schlacht auf dem Boden lag. Das Spinnenwesen wandte sich kurz dem leblosen Körper zu.
    Es irritierte Emily, dass die Gestalt keinerlei Mimik besaß. Dort, wo normalerweise ein Gesicht gewesen wäre, gab es nur eine schwarze, sich permanent bewegende Masse kleiner Leiber.
    »Die Durchreise wird den Wölfen niemals gestattet«, knackten die Münder.
    »Ihr habt einen aus ihrer Mitte getötet«, sagte ich.
    Das Spinnenwesen wandte sich mir zu, und Emily drückte sich dicht an meinen Mantel.
    »Das Rudel konnte fliehen«, knackte es. »Doch jener dort ist ohne Leben.«
    Einige der großen Spinnen lösten sich aus der menschlichen Gestalt und plumpsten unbeholfen zu Boden, wo sie sich schleunigst aufrappelten, um zurück zum Kollektiv zu krabbeln. Es sah aus, als löse sich zuweilen eine Hand oder ein Ohr auf.
    »Wir folgen dem Rudel«, erklärte ich. »Habt Ihr eine Ahnung, welchen Weg es genommen haben könnte?«
    Mandibeln knackten: »Nordwärts.«
    Wieder lösten sich einige der Spinnen aus der Formation und plumpsten zu Boden. Emily beobachtete das Geschehen fasziniert. Aurora hingegen wünschte sich sichtlich an einen anderen Ort.
    »Was könnte ihr Ziel sein?«, fragte Maurice Micklewhite.
    »Abezi Thibod«, knackte es.
    »Wer?«, entfuhr es Emily.
    Mehrere hundert Facettenaugen starrten sie an.
    »Der neue Lordkanzler von Kensington«, wiederholten die Mandibeln. »Niemand erblickte je sein wahres Gesicht. Allzeit verbirgt er es hinter einer silbernen Maske.«
    Maurice warf mir einen skeptischen Blick zu. »Seid Ihr sicher, dass dies sein richtiger Name ist?«, fragte er den Arachniden.
    Der Spinnenmann imitierte ein Kopfnicken. »Die Späher belauschten die Wölfe. Es ist der Name, der in den Stollen zwischen St. James und Holland Park geflüstert wird.«
    Es machte Emily ganz schwindlig, der fließenden Bewegung des Körpers aus so vielen Leibern zuzusehen. Infolge der andauernden Bewegung wirkte er oft unscharf.
    »Ist er Euch bekannt?«, wollte der Arachnide wissen.
    Maurice Micklewhite sah aus, als habe jemand einen Scherz gemacht. Die blauen Elfenaugen jedoch lächelten keineswegs. »Die alten Schriften berichten von einem gefallenen Engel gleichen Namens. Jenseits des Sinai nannte man ihn Uzza. Moses, so sagt man, habe ihn bekämpft, weil er das Herz des Pharaos versteinert hatte. Später denn ertrank er im Roten Meer.«
    Der Arachnide zeigte keinerlei Reaktion.
    Emily und Aurora folgten den Worten des Elfen umso faszinierter.
    »Seit wann ist dieser Abezi Thibod Lordkanzler von Kensington?«, fragte ich den Arachniden.
    »Wir erfuhren vor fünf Monaten von ihm. Durch die Späher.« Die große Gestalt vibrierte leicht. Erneut fielen einige Spinnen aus der Formation heraus und liefen irritiert am Boden entlang. »Kensington will expandieren. Er möchte die Handelsrouten kontrollieren, die hinunter zum Fluss führen.«
    Deshalb also hassten die Arachniden die Wölfe. Die Handelsrouten folgten den unterirdischen Tunnelsystemen, die hinab zur Themse führten. Sie verliefen streng nach Süden, mitten durch Chelsea hindurch. Die Wölfe sollten die Arachniden aus ihren Kolonien vertreiben.
    Emily warf mir einen fragenden Blick zu.
    Ich bedeutete ihr zu schweigen. Später würde ausreichend Zeit sein, ihr die Dinge zu erklären.
    »Wir sind krank«, gestand der Arachnide überraschend.
    Maurice Micklewhite nickte ernst. »Wir erfuhren davon.«
    »Wir fallen auseinander.«
    »Vielleicht gibt es eine Medizin?«, entfuhr es Emily.
    Sie selbst

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