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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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schmerzte. Die Pranken bluteten. Sie sprintete durch die Tunnel und kam schließlich an jene Wegkreuzung, an der sich das Rudel für den rechten Weg entschieden hatte. Wie sich herausgestellt hatte, war das die falsche Entscheidung gewesen. Sie starb, während die gelben Raubtieraugen die große achtbeinige Skulptur anstarrten, die vor ihr bis in die Schatten ragte. Tausende kleiner Stiche lähmten ihr das Bewusstsein und den Körper.
    Emily schrie laut auf.
    Der Schrei hallte durch den Abwasserkanal.
    »Ich sterbe«, rief das kleine Mädchen. »Ich spüre es, mein Gott, es tut so weh!«
    Dann riss sie die Augen auf und starrte in die Runde.
    Sie erkannte nicht einmal, wo sie war.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte ich und drückte sie an mich.
    Emily schluchzte.
    »Die Wolfshaare«, wiederholte Maurice Micklewhite. »Sie ist mit ihnen in Berührung gekommen.«
    Emily zitterte unkontrolliert. Sie hatte soeben erlebt, wie es ist, zu sterben.
    Sie hatte es
empfunden
.
    »Ein Wolf ist getötet worden«, stammelte sie. »Ich habe es gespürt!«
    »Lassen Sie Ihren Tränen freien Lauf«, empfahl ich ihr. Sie weinte mir unaufhörlich in den Mantel hinein. »Manchmal sieht man Dinge, sobald man Gegenstände berührt. Wie die Wolfshaare.«
    Aurora kniete neben mir im Dreck und beobachtete ihre Freundin besorgt. »Was ist passiert?«
    »Miss Laing hat gesehen, wie einer der Wölfe zu Tode gekommen ist«, antwortete ich. »Sie hat seine Empfindungen erlebt.« Und zu Maurice Micklewhite gewandt, ergänzte ich: »Sie haben also einen aus ihrer Mitte getötet.«
    »Ja, aber das Rudel ist weitergezogen.«
    Emily kam langsam wieder zu Sinnen.
    »Mir geht es gut.« Langsam wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht.
    »Das bezweifle ich. Sie haben soeben eine Todeserfahrung gehabt. Niemandem geht es danach gut, Miss Emily.« Ich half ihr auf die Beine und wischte ihr mit dem Saum des Mantels die verbliebenen Tränen aus dem verwirrten Gesicht.
    »Kannst du laufen?«, fragte Aurora.
    Emily nickte selbstsicher. »Natürlich.«
    Auf wackligen Beinen stakste sie unbeholfen neben mir her.
    Maurice Micklewhite brachte die Situation schließlich auf den Punkt. »Wir haben keine Zeit zu verlieren«, stellte er nüchtern und ungeduldig fest. »Setzen wir uns also wieder in Bewegung.« Ohne eine Reaktion abzuwarten, schritt er voran, gefolgt vom quirligen Dinsdale, der uns flackernd den Weg wies.
    Den Windungen der Kanäle folgend näherten wir uns so unserem Ziel.
    Emily, die ihre Kräfte noch nicht ganz wiedergefunden hatte, ließ sich von mir tragen. Sie verlor kein Wort über die Vision. Nicht darüber, und auch nicht über ihre Angst. Nie hätte ich gedacht, das einmal über ein Kind sagen zu müssen, aber Emily Laing war zweifelsohne ein tapferes kleines Geschöpf. Wenngleich, auch das sollte Erwähnung finden, sie selbst das Ganze wohl völlig anders sah.

Kapitel 5
Arachnida
    Wir trafen am frühen Nachmittag auf den Leichnam des Wolfes. Er lag ausgetrocknet am Fuße der großen Skulptur, die Emily in ihrer Vision erblickt hatte. Das zottige Fell des Lykanthropen spross noch an manchen Stellen aus dem Körper des schmutzigen Jungen, in den sich das Wesen nach dem Tod zurückverwandelt hatte. Das tumbe Gesicht des Knaben war schmerzverzerrt.
    »Das Rudel hat ihn geopfert«, stellte Maurice Micklewhite lakonisch fest.
    »Warum haben sie das getan?«, wollte Aurora wissen.
    Emily hatte seit ihrer Todeserfahrung kaum ein Wort mehr gesprochen. Nachdenklich war sie uns durch die abfallenden Tunnel gefolgt, hatte rostige Leitern erklommen und seichte Abwässer durchwatet. Mir war aufgefallen, dass sie dichter neben mir herging als noch am Vortag.
    »Etwas hat sie verfolgt, und um diesem Etwas zu entkommen, haben sie einen aus ihrer Mitte zurückgelassen. Sehen Sie nur, sein Knöchel ist gebrochen. Während sich die Verfolger über diesen Wolf hier hermachten, gelang dem Rest des Rudels die Flucht.«
    »Wie grausam.« Aurora hatte von solchen Verhaltensweisen gelesen. In der
Enzyklopaedia Britannica
.
    Emily betrachtete den toten Wolf. Er tat ihr Leid.
    »Was hat ihn denn verfolgt?« Fasziniert starrte Aurora den Leichnam des Jungen an.
    Emily sah zu der großen Skulptur mit den acht langen Beinen auf, die sich wie Torbogen über die beiden Tunneleingänge streckten. Große Kieferzangen, in Stein gehauen, und riesige Facettenaugen, ein fetter Leib.
    »Es waren Spinnen«, flüsterte sie.
    Aurora sah sie erschrocken an.
    Emily deutete auf die

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