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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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im Anschlag. Zwischen den Steinen am Strand steckten mehrere Fackeln. Gerade so viel Licht spendeten sie, dass Auroras Körper für jedermann gut sichtbar dalag.
    Es war eine Falle.
    Ein Köder.
    Einfach und wirkungsvoll.
    Konnten die beiden Gestalten jene Vermummten sein, die Emily und den Gefährten in Knightsbridge aufgelauert hatten? Hielten sie etwa nach
Emily
Ausschau? Weswegen sollten sie sonst die arme Aurora als Köder benutzen?
    Doch warum suchten sie ausgerechnet nach Emily? Die Antwort war einfach: Weil sie eine Trickster war, natürlich! Zumindest war das die einzige Antwort, die Emily sinnvoll erschien.
    So vorsichtig und langsam wie nur möglich ließ sich Emily auf das Ufer zutreiben.
    Noch bevor sie den Strand erreichte, bekam sie glücklicherweise einen Vorsprung im Gestein zu fassen und klammerte sich mit aller Kraft daran fest. Sie zitterte am ganzen Leib, vor Angst und Kälte und Nässe, die langsam ihre Glieder taub machten. Doch traute sie sich nicht, auch nur eine einzige winzige Bewegung zu machen. Sie malte sich aus, was die beiden Gestalten wohl mit ihr machen würden, wenn sie sie in die Finger bekämen. So verging scheinbar eine Ewigkeit. Emily verlor vor Kälte beinahe das Bewusstsein. Sie krallte die Finger derart fest in den Fels, dass der Schmerz sie wieder wach werden ließ. Dann, als sie schon darüber nachdachte, ob sie sich die beiden Gestalten nur eingebildet hatte, schälten sie sich aus den Schatten heraus und gingen entschlossenen Schrittes auf Aurora zu.
    Die größere der Gestalten packte Aurora brutal an den Haaren und zog ruckartig ihren Kopf hoch. Emily erkannte mit Schrecken das lange, im Licht der Fackeln blitzende Messer, das sie ihr an den Hals setzte. Dann warf der Vermummte einen letzten langen Blick über den Fluss. Emily erkannte gelbe Augen, die wachsam und listig aus dem Dunkel der Kapuze herausfunkelten. Bevor er das Messer jedoch benutzten konnte, ergriff die andere Gestalt den Arm ihres Kumpanen und schüttelte energisch den Kopf.
    Sogleich zogen beide Aurora hoch und stellten sie auf die Füße. Das Mädchen wirkte verängstigt, unsicher und geschwächt. Entsetzt kam Emily der Gedanke, dass Aurora womöglich ebenso mutlos war wie sie selbst noch vor wenigen Stunden, weil sie natürlich nicht wissen konnte, dass ihre Freundin noch am Leben war. Wie leid sie ihr tat und wie gerne sie ihr geholfen hätte. Aber was in aller Welt sollte sie denn tun?
    Die zwei Gestalten schulterten ihre Armbrüste, und eine der beiden fesselte mit geübten Griffen die Handgelenke des Mädchens. Dann schritten sie von dannen, die arme Aurora, deren Handfesseln an einer kurzen Kette hingen, erbarmungslos hinter sich herziehend. Emily erkannte, dass hinten am Strand der Eingang zu einer Höhle war. Durch diesen verschwanden die Gestalten mit ihrer Freundin.
    Emily wusste nicht, wann sie sich endlich dazu überwunden hatte, an den Strand zu kriechen. Aus Furcht, die beiden Gestalten könnten zurückkehren oder im Dunkel der Höhle lauern, harrte sie länger im kalten Wasser aus, als gut für sie war.
    Irgendwann riskierte sie es dann doch.
    Ihren Körper spürte sie kaum noch. Die Gliedmaßen fühlten sich wie abgestorben an. Sie wollte weiterlaufen, den Gestalten, die Aurora in ihrer Gewalt hatten, folgen, doch sank sie immer wieder entkräftet zu Boden.
    Dann, ganz plötzlich, kamen die Tränen.
    Und es wurde Licht.
    Zweifelsohne wäre Emily Laing erfroren, gestorben an eisig kalter Erschöpfung und bitterster Hoffnungslosigkeit. Mit letzter Kraft formten ihre blau angelaufenen Lippen den Namen ihres Retters. Die Augenlider wurden ihr schwer. Sie wollte nur schlafen. Tief und fest.
    Doch, wie bereits erwähnt, wurde es Licht.
    Gleißend hell und wohlig warm.
    Winston Dinsdale, das herbeigeeilte Irrlicht, strahlte wie selten zuvor. Der kleine Pfadfinder tauchte den Raum in ein überirdisches Licht. Innerhalb von wenigen Augenblicken erwärmte sich die Luft und umgab Emilys zitternden Körper wie eine flauschige Decke.
    Das wärmende Licht Winston Dinsdales ließ das Leben in Emilys Körper zurückkehren. Es trocknete ihre Kleidung und ihr Haar, ließ das Zittern verebben und zauberte einen wohligen Ausdruck in das Gesicht des Mädchens. Emily lauschte dem Rauschen des Flusses und dem statischen Brummen des Irrlichts, seinen säuselnden und tröstenden Worten, von denen sie die wenigsten verstand, jedoch fühlte, dass sie von Herzen kamen. Sofern Irrlichter ein solches besaßen, was

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