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Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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natürlich die Geschichten über die Prostituierten-Morde in Whitechapel gehört. Jedermann kannte sie. Jack the Ripper, der mysteriöse Unbekannte, ein Rätsel seit mehr als hundert Jahren. Manche glaubten, er habe mit dem Königshaus zu tun gehabt. Angeblich war er ein Mitglied eines der mächtigen Häuser gewesen. Ein Mushroom oder ein Manderley. Durch die Morde war es zu den Whitechapel-Aufständen gekommen, die die uralte Metropole ins Chaos gestürzt hatten. Die Ratten hatten den Black Friars gedient, einem Orden von Mönchen, dem auch Lucia del Fuego angehörte.
    »Sei ehrlich«, äußerte Aurora ihre Bedenken, »glaubst du wirklich an all das Zeug?«
    »Ich weiß es nicht.« Nachdenklich setzte Emily hinzu: »Wann trieb Jack the Ripper sein Unwesen?«
    »1888.«
    »Ganz schön lange her.«
    »Auf was willst du hinaus?«
    »Wenn Jack the Ripper 1888 die Whitechapel-Aufstände ausgelöst hat und die Heirat zwischen Mia Manderley und Lord Mushroom eine Folge dieser Aufstände war, dann frage ich mich, wann Mia Manderley mit meinem Vater zusammengewesen ist.«
    Emily hatte ihre Zweifel auf den Punkt gebracht.
    Mit der Zeit ist es eben so eine Sache.
    »Wann bin ich geboren worden, Aurora?«
    Das Mädchen zuckte mit den Achseln.
    »Genau. Ich weiß es auch nicht.« Trotzdem konnte es nicht sein, dass sie vor so langer Zeit geboren worden war. »Etwas«, murmelte Emily betrübt und zugleich voller Neugierde, »stimmt hier ganz und gar nicht.«
    Dann hatten sie erneut schweigen müssen, weil die Jägerin von ihrer Erkundung zurückgekehrt war und ihnen den Weg durch ein System enger Tunnel, die allesamt abwärts führten, gewiesen hatte.
    Je tiefer sie hinabstiegen, desto frostiger wurde es.
    Emily spürte die Kälte, die ihr ins Gesicht schnitt und in den Körper kroch.
    »Diese seltsamen Ratten«, flüsterte sie.
    Die Ratten unter der Federführung von Lord Brewster hatten die Hochzeit zwischen den Häusern Mushroom und Manderley arrangiert. Lord Brewster, der seit dem Vorfall in der Finchley Road, den er offenbar organisiert hatte, vollständig untergetaucht war.
    »Die von den Ratten angeregte Ehe hat erst mal für Ruhe gesorgt.«
    Doch dann entführte jemand die kleine Mara Mushroom, was die ohnehin bestehenden Differenzen zwischen den frisch Vermählten nur verstärkt hatte. Nach zwei Jahren, während derer sich die elfischen Eheleute immer mehr auseinander lebten, tauchte die kleine Mara dann, aus welchen Gründen auch immer, im Waisenhaus drüben in Rotherhithe auf. Kurz nachdem die Ratten davon erfahren hatten, wurde sie wieder entführt.
    »Ein seltsamer Zufall«, murrte Aurora.
    »Es gibt keine Zufälle.«
    In der gleichen Nacht, in der ein Werwolf das Mädchen erneut entführt hatte, war Emily aus dem Waisenhaus geflohen, hatte Lord Brewster und seine Verbündeten getroffen, die sie für ihre Zwecke eingespannt hatten.
    Letzten Endes lief alles auf eines hinaus. Im Tower von London zog jemand, der sich Master Lycidas nannte, die Fäden in diesem Spiel. Alle glaubten, dass er die kleine Mara in seine Gewalt gebracht hatte.
    »Aber wieso?« Aurora brachte es auf den Punkt.
    Was war der Grund? Er wolle die beiden Häuser gegeneinander ausspielen, hatte man Emily gesagt. Doch wie sollte das geschehen? Bei genauerem Nachdenken fehlte ein Stück des Puzzles.
    Bevor sie diese Gedanken zu Ende spinnen konnte, kehrte Lucia del Fuego meist von ihren überaus kurzen Erkundungsgängen zurück. Den beiden Freundinnen fehlte die Gelegenheit, ungestört miteinander zu reden.
    Zudem wollte Master Lycidas Emily in seine Gewalt bringen, weil … nun ja, warum eigentlich? Er hatte Mr. Fox und Mr. Wolf mit dieser Aufgabe betraut, die – den Ratten vom Northend sei Dank – kläglich daran gescheitert waren. Blieb letzten Endes noch immer die Frage: Warum sie?
    Warum Emily?
    »Weil du eine, wie haben sie es genannt, Trickster bist?«
    »Glaube ich nicht.« Eine zu offenkundige Begründung.
    »Weil du die Halbschwester der kleinen Mara bist?«
    Es überraschte Emily, dass sie sich an der Formulierung
Halbschwester
störte. »Es ergibt alles keinen Sinn.« Die Gedanken drehten sich im Kreis. Die Katze biss sich selbst in den Schwanz.
    Lucia del Fuego, die Jägerin, die im Auftrag von Wittgenstein handelte und den Black Friars diente, die sehr alt zu sein schien und darüber hinaus eine Menge über diesen seltsamen Ort wusste, den sie als Hölle bezeichnete – diese Frau, die Emily insgeheim mehr bewunderte, als sie sich

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