Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas

Titel: Die uralte Metropole Bd. 1 - Lycidas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
Tower auch unterirdisch zu erreichen ist und dass dieser Weg geradewegs durch den neunten Kreis der Hölle führt. Während Mylady Hampstead der ihr zugewiesenen Aufgabe nachging, begaben sich Maurice Micklewhite und ich nach The Deep, wo laut den Auskünften der Black Friars der Pfad begann und wir Nachforschungen anstellten und dem Weg folgten, den die Mädchen und die Jägerin eingeschlagen hatten.
    Wir überwanden Nehallania – auch hierbei waren die Ratschläge der Mönche von nicht verzichtbarem Wert – und lasen die Spuren in den eisigen Höhlen, stiegen immer tiefer hinab, und schließlich holten wir die Kinder ein.
    »Was wird jetzt geschehen?«, fragte Lycidas und schaute in die Runde. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie/er fort: »Die Protagonisten des Spiels sind versammelt. Auf der einen Seite ein Elf und ein Alchemist. Auf der anderen Seite zwei Jäger, ein Engel und eine nicht zu unterschätzende Anzahl Nekir. Dazwischen, sozusagen unentschlossen, die beiden Mädchen hier.« Der Engel lächelte. »Wer wird den ersten Stein werfen?«
    Wachsame Blicke wurden getauscht.
    »Werfen sie ihn?«, fragte Mr. Wolf.
    »Oder wir?«, säuselte Mr. Fox.
    Maurice Micklewhite ließ die beiden Jäger, die noch mit ihren Armbrüsten im Anschlag zwischen uns und den Kindern standen, nicht aus den Augen.
    »Emily«, richtete sich der Engel Lycidas an das Mädchen. »Ich bitte Sie inständig, mir zu folgen. Master Wittgenstein ist äußerst geschickt darin, seine eigenen Belange zu verfolgen.« Sie/er kniete sich neben Emily und sah sie eindringlich an. »Was ich Ihnen über Ihre Mutter gesagt habe, entspricht der Wahrheit. Ich bin deren Leibwächterin gewesen und stehe ihr auch heute noch als Beraterin zur Seite. Wenn Sie dies anzweifeln, dann fragen Sie ihn.« Mit diesen Worten deutete sie auf Maurice Micklewhite.
    Zerknirscht nickte der Elf. »In der Tat sind wir uns bereits einmal begegnet.«
    »Stimmt das?«
    Überrascht erkannte ich, dass mein Freund die Wahrheit sprach.
    »Lucia del Fuego ist eine Beraterin Manderley Manors. Ich weiß nicht, welche Lügengeschichten sie Ihnen beiden aufgetischt hat, jedoch entspricht zumindest dies den Tatsachen, so ungern ich es auch zugeben mag.«
    »Sehen Sie?!« Lycidas’ Blick wurde ernst. Es war schwer zu sagen, ob man es mit einem Mann oder einer Frau zu tun hatte. Je nach seinem/ihrem Gesichtsausdruck wechselte dieser Eindruck. »Woran mir liegt«, fuhr Lycidas fort, »ist, Sie, Miss Emily, und Ihre Mutter wieder zu vereinen.«
    Er spielte sein Spiel.
    »Glauben Sie ihm nicht!«
    Lycidas reagierte sofort. »Hören Sie ihn an! Wie sehr Master Wittgenstein doch bemüht ist, die Oberhand zu gewinnen. Er ist ein folgsamer Lakai der Ratten und als solcher ihrem Willen untertan. Es sind der Ratten Belange, die ihn kümmern, und nicht diejenigen eines kleinen Waisenkindes.«
    Der Zwiespalt in Emilys Seele zeichnete sich auf dem erschöpften Gesicht ab.
    »Er spricht mit Engelszungen«, warnte ich sie.
    »Und Sie, Wittgenstein, sprechen mit der gespaltenen Zunge Ihrer Gattung. Oder können Sie diesem Kind hier garantieren, die Pläne der Ratten bis ins Kleinste zu kennen? Können Sie diesem armen Mädchen etwa versprechen, für es zu sorgen? Oder ist es nicht so, dass Ihnen das Wohlergehen der Metropole mehr am Herzen liegt? Sagen Sie, kennen Sie die Mutter dieses Kindes?« Lycidas warf Emily einen mitleidigen Blick zu. »Ich weiß, was es heißt, verstoßen zu werden, glauben Sie mir.« An Maurice Micklewhite und mich gewandt fügte er hinzu: »Ich kenne Mia Manderley, meine Herren. Ja, ich habe in ihr Herz geschaut. Und, ja, ich nenne sie bei ihrem alten Namen. Manderley. Denn das ist es, was sie ist. Sie ist eine Manderley. Und sie fühlt wie eine Manderley. Die Ratten haben sie einst verraten. Benutzt, im schlimmsten Sinne dieses Wortes.«
    Maurice Micklewhite entgegnete wütend: »Das ist eine Lüge.«
    Lycidas kniff die Augen zusammen. »Ist es das? Oder möchten Sie bloß nicht, dass das Kind die Wahrheit erfährt?«
    Emily tauschte Blicke mit Aurora.
    Stumme Gesten, jahrelang im Waisenhaus eingeübt.
    Die beiden Freundinnen benötigten keine Worte, um sich zu verständigen.
    In beider Augen las ich tiefes Misstrauen.
    Emily wirkte verunsichert.
    Zweifelnd.
    Wem sollte sie jetzt noch trauen, wenn nicht ihrer Freundin? Es änderte sich nie etwas. Dem Waisenhaus entkommen, waren sie immer noch in der Welt der Erwachsenen gefangen, die, einem Spinnennetz aus Lügen und

Weitere Kostenlose Bücher