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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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    »Schon gut«, erwiderte ich. »Du hast recht. Er war gestreng, soweit ich ihn kenne; und grausam dazu, zumindest dem Ruf nach, obwohl er den vielleicht nicht verdiente. Wahrscheinlich heiratete Valeria ihn um des Thrones willen, obwohl sie sich meines Wissens gelegentlich anderweitig äußerte. Ihr zweiter Gemahl machte sie schließlich glücklich.«
    »Schön gesagt, Sieur«, gluckste Odilo. »Gut getroffen. Du mußt dich in acht nehmen, Pega, wenn du mit einem Krieger die Klinge kreuzt.« Thais erhob sich, klammerte sich an ein Tischbein und deutete mit der freien Hand hinaus. »Seht!«
     

 
Das Boot
     
    Es war ein Segel, das bald hochgeworfen wurde, so daß wir kurz den dunklen Rumpf darunter sahen, bald dippend und wirbelnd nahezu wegtauchte in Wellentälern. Wir schrien allesamt, bis wir heiser waren, und hüpften und winkten. Schließlich setzte ich mir Pega auf die Schultern und balancierte vorsichtig wie in der schwankenden Kanzel auf Vodalus’ Baluchitherium.
    Das Gaffelsegel flatterte. Pega stöhnte. »Es sinkt!«
    »Nein«, widersprach ich, »es wendet.«
    Der kleine Klüver flatterte gleichfalls, um sich dann im Wind zu blähen. Ich weiß nicht, wie viele Atemzüge oder Herzschläge vergingen, bis wir den spitzen Klüverbaum in den Himmel ragen sahen wie eine Fahnenstange auf einem grünen Hügel. Selten war die Zeit langsamer vergangen, und ich schätze, es waren ihrer Tausende.
    Bald darauf lag das Boot, das ein Schlepptau nachzog, eben in Bogenschußweite. Ich hechtete ins Wasser, ob die andern mir nun folgen mochten oder nicht, glaubte ich doch, ihnen an Bord mehr helfen zu können als auf dem Floß.
    Sofort war mir, als wäre ich in eine andere Welt eingetaucht, die befremdender wirkte als der Bach Madregot. Die rastlosen Wellen und der bewölkte Himmel verschwanden, als hätte es sie nie gegeben. Ich spürte eine gewaltige Strömung, obwohl ich nicht hätte sagen können, wie ich sie gewahr wurde; denn obgleich die überfluteten Weiden meines überschwemmten Landes unter mir dahinglitten und die Bäume sich flehentlich zu mir reckten, war das Wasser selbst unbewegt. Es war, als hätte ich die Urth allmählich ins Nichts entgleiten sehen.
    Schließlich bemerkte ich ein Häuschen, dessen Mauern und Schornstein noch standen; die offene Tür schien mich anzulocken. Erschrocken schwamm ich mit einemmal hinauf zum Licht, als würde ich abermals im Gyoll ertrinken.
    Mein Kopf durchstieß die Oberfläche, Wasser strömte mir aus der Nase. Schon glaubte ich, sowohl das Boot als auch das Floß verloren zu haben, als eine Welle das Boot emportrug, so daß ich das triefende Segel sah. Ich ahnte, daß ich lange unter Wasser gewesen war. Nun schwamm ich, so schnell ich konnte, wobei ich das Gesicht tunlichst über dem Wasser behielt und, schlugen Wellen über mir zusammen, die Augen geschlossen ließ.
    Odilo stand, die Hand an der Ruderpinne, im Heck; als er mich sah, winkte er und schrie mir Ermutigungen zu, die ich nicht verstand. Im nächsten Moment erschien Pegas rundes Gesicht über dem Schandeckel, dann ein zweites, das ich nicht kannte, ein zerfurchtes braunes.
    Eine Welle hob mich hoch wie eine Katze das Kätzchen, und ich hechtete kopfüber ins Wellental und erwischte das Schlepptau. Odilo ließ von der Ruderpinne ab (die sowieso festgezurrt war, wie ich sah, als ich an Bord kam) und legte mit Hand an bei meiner Bergung. Das kleine Boot hatte nur ein paar Ellen Freibordhöhe, und es war nicht schwer, den Fuß aufs Ruder zu setzen und mich übers Heck zu hieven.
    Obwohl Pega mich erst seit einer knappen Wache kannte, drückte sie mich wie ein Plüschtier.
    Odilo verbeugte sich, als würden wir einander im Amarantenen Hypogeum vorgestellt. »Sieur, ich fürchtete um Euer Leben in dieser wütenden See!« Wieder verbeugte Odilo sich. »Sieur, es ist eine ungemeine Freude und eine ordentliche Überraschung dazu, wenn ich so sagen darf, Sieur, Euch lebend wiederzusehen, Sieur!«
    Pega war direkter. »Wir haben dich für tot gehalten, Severian!«
    Ich fragte Odilo nach der andern Dame und sah sie, als aus einem Kübel Wasser vom Boot in die Fluten spritzte. Sie war so vernünftig und schöpfte aus; und sie war so gescheit und schöpfte nicht gegen den Wind.
    »Dort ist sie, Sieur. Wir sind alle da, Sieur. Ich selbst war der erste an Bord«, verkündete Odilo mit verständlich stolzgeschwellter Brust. »Ich konnte den Damen ein bißchen behilflich sein, Sieur. Aber Euch hatte niemand gesehen,

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