Die Urth der Neuen Sonne
ob dieser Pracht und schrie wie die Undine voller Triumph und Verzweiflung auf. Um mich herum trieben die Trümmer der Urth: entwurzelte Bäume, lose Schindeln, geknickte Balken und aufgedunsene Tier- und Menschenleiber. Hier herrschte, was die Matrosen, die gegen mich gekämpft hatten, auf Yesod wohl gesehen hatten; und als nun auch ich es sah, haßte ich sie nicht mehr, weil sie das von harter Arbeit gezeichnete Messer gegen die Ankunft der Neuen Sonne erhoben hatten, sondern wunderte mich von neuem, daß Gunnie mich verteidigt hatte. (Nicht zum ersten Mal fragte ich mich darüber hinaus, ob sie den Ausschlag gegeben hatte; wäre sie gegen mich gewesen, hätte sie gegen mich gekämpft, nicht gegen die Eidola. So war ihr Wesen; und wenn ich gestorben wäre, wäre die Urth mit mir untergegangen.)
Neben dem Rauschen der leckenden Wellen hörte ich in großer Ferne ein Echo auf meinen Schrei oder glaubte es zu hören. Ich setzte mich dorthin in Bewegung, hielt aber, von Mantel und Stiefeln behindert, bald inne, stieß die Stiefel ab (gleichwohl es gute, fast nagelneue waren) und ließ sie untergehen. Der Mantel des jungen Offiziers folgte sogleich, was ich noch bereuen sollte. Das Schwimmen, Laufen und Gehen über lange Strecken machte mich stets meines Körpers bewußt, den ich nun als kräftig und gesund empfand. Die Giftwunde des Meuchelmörders war verheilt wie die Giftwunde, die Agilus mir beigebracht hatte.
Dennoch war ich lediglich wohlauf und bei Kräften. Die übermenschliche Kraft, die mir mein Stern eingeflößt hatte, war weg, obwohl er mich sicherlich gesund gemacht hatte, solange er bestand. Als ich versuchte, den Teil von mir zu erreichen, der einst dort gewesen war, war mir, als wollte ich ein verlorenes Bein bewegen.
Wieder ertönte der Schrei. Ich erwiderte ihn, und weil ich nicht zufrieden war mit meinem Vorankommen (soweit ich es abschätzen konnte, drängte mich jede Welle, gegen die ich anschwamm, so weit zurück, wie ich vorangekommen war), holte ich tief Luft und schwamm ein Stück weit unter Wasser.
Fast unverzüglich öffnete ich die Augen, denn das Wasser schmeckte nicht salzig. Auch als Kind war ich mit offenen Augen in der großen Zisterne unterm Glockenturm getaucht und selbst in den strömungslosen seichten Stellen des Gyolls. Das Wasser hier erschien mir klar wie Luft, obwohl es in der Tiefe blaugrün schimmerte. Verschwommen wie ein Baum, der sich in einem Teich spiegelt, sah ich den Grund, wo sich etwas Weißes so träge und ziellos bewegte, daß ich mir nicht sicher sein konnte, ob es schwamm oder lediglich dahintrieb. Das klare warme Wasser erschreckte mich; ich fürchtete, ich könnte irgendwie vergessen, daß es doch keine Luft war, und mich in der Tiefe verirren, wie ich mich einst in die dunklen schlingenden Wurzeln der blaßblauen Teichrosen verirrt hatte.
Nun tauchte ich auf, schoß um zwei Ellen über die Wellen hinaus und sah, jetzt schon näher, ein schäbiges Floß, an das sich zwei Frauen klammerten und auf dem ein Mann stand, der sich mit der Hand die Augen beschirmte und das wallende Wasser absuchte.
Ein Dutzend Schwimmzüge trugen mich zu ihnen. Das Floß war zusammengezimmert aus allem, was schwamm, und sich provisorisch zusammenzurren ließ. Der Kern bildete ein wuchtiger Tisch, wie er einem Beglückten für ein intimes Mahl in seinen Gemächern gedient hätte; die acht robusten Beine, die nun paarweise in die Luft zeigten, wirkten wie eine Parodie von Masten.
Als ich auf die Rückwand eines Schrankes geklettert war (wobei mich die gut gemeinte Hilfe, die ich bekam, einigermaßen behinderte), sah ich, daß die Überlebenden aus einem beleibten kahlköpfigen Mann und den zwei Frauen bestanden, die beide recht jung waren. Die eine war klein und hatte das heitere volle Gesicht einer fröhlichen Puppe, die andere war groß und dunkel und hatte eingefallene Wangen.
»Ihr seht«, sagte der dicke Mann, »es ist nicht alles verloren. Wohlgemerkt, es wird noch mehr geben.«
Die dunkle Dame meinte darauf leise: »Und kein Wasser.«
»Wir kriegen schon Wasser, keine Bange. Ob wir nichts durch vier teilen, ist vorerst nicht viel schlimmer als nichts geteilt durch drei – vorausgesetzt, es wird gerecht verteilt.«
Ich sagte: »Das muß lauter Süßwasser sein hier.«
Der Dicke schüttelte den Kopf. »Es ist, fürcht ich, das Meer, Sieur. Die Fluten kommen vom Tagesgestirn, Sieur; alles Land steht unter Wasser derzeit. Der Gyoll wird sich damit vermischt haben, also
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