Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
Vom Netzwerk:
ist das Wasser weniger salzig, als es vom alten Ozean behauptet wird, Sieur.«
    »Kenn ich dich nicht? Kommst mir bekannt vor.«
    Er verbeugte sich, gewandt wie ein Legat, wobei er sich die ganze Zeit an einem Tischbein festhielt. »Odilo, Sieur. Oberhaushofmeister, Sieur, und von unsrer gnädigen Autarchin, deren Lächeln die Hoffnung ihrer ergebenen Diener ist, Sieur, mit der Führung des ganzen kompletten Apotropäischen Hypogeums betraut, Sieur. Zweifelsohne habt Ihr mich dort gesehen, Sieur, bei einem Besuch in unserm Haus Absolut, obwohl ich keine Gelegenheit gehabt habe, Euch persönlich aufzuwarten, Sieur, dessen bin ich mir sicher, wäre mir eine solche Ehre doch unvergeßlich geblieben bis zum Tage meines Ablebens, Sieur.«
    »Welcher heute sein mag«, bemerkte die dunkle Dame.
    Ich zögerte. Ich wollte mich nicht als der Beglückte ausgeben, für den Odilo mich offenbar hielt; andrerseits wäre es sicherlich peinlich, gäbe ich mich als Autarch Severian zu erkennen, selbst wenn sie mir glaubten. Die Dame mit dem Puppengesicht war meine Rettung. »Ich heiße Pega, und ich war die Soubrette der Wappenträgerin Pelagia.«
    Odilo runzelte die Stirn. »Was du da sagst, ziemt sich nicht, Pega. Du warst ihre Zofe.«
    Und dann, an mich gewandt: »Sie war eine gute Zofe, Sieur, da habe ich keine Zweifel. Ein bißchen albern vielleicht.«
    Die Dame mit dem Puppengesicht schaute zerknirscht drein, obwohl der Ausdruck geheuchelt war, wie ich argwöhnte. »Ich frisierte Madame und kümmerte mich um ihre Sachen, aber eigentlich behielt sie mich, damit ich ihr das Neueste an Witzen und Klatsch erzählte und Picopicaro dressierte. Das sagte sie jedenfalls, und sie redete mich immer als ihre Soubrette an.« Eine dicke Träne kullerte, in der Sonne glitzernd, über ihre Wange, wobei ich nicht recht wußte, ob sie der toten Herrin oder dem toten Vogel galt.
    »Und diese, ah, Person will sich Pega und mir nicht zu erkennen geben. Das heißt, soweit es über ihren Namen hinausgeht, der lautet …«
    »Thais.«
    »Ich fühle mich geehrt«, sagte ich. Inzwischen war mir eingefallen, daß ich in einem halben Dutzend Legionen Ehrenämter bekleidete, die ich, ohne lügen zu müssen, als Inkognito bemühen konnte. »Hipparch Severian von den Schwarzen Tarentinern.«
    Pega spitzte die Lippen. »Ooh! Ich muß Euch beim Aufmarsch gesehen haben!« Sie wandte sich an die Dame, die sich Thais nannte. »Seine Männer trugen lackierte Cuirbouilli mit weißen Federbüschen, und solche Streitrosse hat man noch nicht gesehn!«
    Odilo murmelte: »Warst mit deiner Herrin dort, nehme ich an?«
    Pega gab irgendeine Antwort, aber ich hörte nicht zu. Ein Leichnam, der an einer Kette am Floß hing, fesselte meine Aufmerksamkeit. Wie absurd, dachte ich, auf dem Mobiliar eines Toten inkognito unter Dienstboten zu hocken, während Valeria unter Wasser verweste. Wie sie mich ausgelacht hätte! In einer Gesprächspause fragte ich Odilo, ob nicht auch sein Vater Haushofmeister wie er gewesen sei.
    Er strahlte vor Freude. »Und ob er das war, Sieur, und zur vollsten Zufriedenheit sein Leben lang. Das war in den großen Tagen von Vater Inire, Sieur, als unser Apotropäisches Hypogeum, wenn ich so sagen darf, Sieur, berühmt war in der ganzen Republik. Darf ich wissen, warum Ihr fragt, Sieur?«
    »War nur neugierig. Ist mehr oder weniger üblich so, nicht wahr?«
    »Jawohl, Sieur. Der Sohn erhält Gelegenheit, sein Können unter Beweis zu stellen. Versteht er sein Handwerk, führt er das Amt weiter. Ihr werdet es nicht glauben, Sieur, aber mein Vater ist einmal Eurem Namensvetter begegnet, bevor der Autarch geworden ist. Wißt Ihr um sein Leben und Wirken, Sieur?«
    »Nicht genug, wie ich zu meinem Bedauern feststellen muß, Odilo.«
    »Das habt Ihr schön gesagt, Sieur. Sehr schön gesagt.« Der dicke Haushofmeister nickte und strahlte die beiden Damen an, um sicherzustellen, daß sie meine vornehm galante Antwort zu schätzen wüßten.
    Pega betrachtete gerade den Himmel. »Es gibt, glaube ich, Regen. Vielleicht müssen wir doch nicht verdursten.«
    Thais meinte: »Es gibt noch einen Sturm. So ertrinken wir eben.«
    »Hoffentlich nicht«, erwiderte ich und erkundete meine emotionale Verfassung, als mir einfiel, daß es nicht mehr die Kraft meines Sterns sein konnte, die im Osten Sturm aufkommen ließ.
    Odilo ließ es sich nicht nehmen, seine Anekdote zum besten zu geben. »Es war spät nachts, Sieur, und mein Vater machte einen letzten Rundgang, als er

Weitere Kostenlose Bücher