Die Urth der Neuen Sonne
ich bisher schon rennen und gar springen konnte, war ich nun schneller als der Wind. Ich sauste los; bei der nächsten Biegung sprang ich und stieß mich an der Wand ab, so daß ich Purzelbäume schlagend durch den Gang flog, wie ich mit einem Satz durchs Takelwerk geflogen war.
Im nächsten Moment hatte ich den Gang, wie ich ihn kannte, hinter mir gelassen und fand mich inmitten unheimlicher Winkel und schauriger Mechanismen wieder, wo blaugrüne Lichter dahinflogen wie Kometen und der Laufsteg sich wand wie die Gedärme eines Lindwurms. Meine Füße trafen darauf, ohne daß ich einen Schritt getan hätte; sie waren taub und meine Beine schlaff wie die Glieder einer Marionette nach gefallenem Vorhang. Ich purzelte über den Laufsteg, der zu einem schmerzhaft grellen, aber schwindenden Punkt in einem Feld tiefster Schwärze schrumpfte.
Gunnie und Burgundofara
Zuerst glaubte ich, verschwommen zu sehen. Ich blinzelte, blinzelte noch einmal; aber die Gesichter, die sich unerhört glichen, wollten nicht zu einem Gesicht zusammenrücken. Ich versuchte zu sprechen.
»Alles in Ordnung«, erklärte Gunnie. Die Jüngere, die nun nicht mehr wie ein Zwilling, sondern eher wie die jüngere Schwester wirkte, hatte mir die Hand unter den Nacken geschoben und hielt mir einen Becher an die Lippen.
Mein Mund war mit dem Staub des Todes gefüllt. Ich trank gierig von dem Wasser, mit dem ich beide Backen spülte, bevor ich es hinunterschluckte. Das Naß hatte eine belebende Wirkung.
»Was ist passiert?« fragte Gunnie.
»Das Schiff verändert sich«, antwortete ich.
Sie nickten unverständig.
»Es paßt sich uns an, wo immer wir auftreten. Ich rannte zu schnell – oder hatte nicht genügend Kontakt zum Boden.« Ich versuchte mich aufzusetzen und staunte, weil ich es schaffte. »Ich kam wohin, wo’s keine Luft gab – nur ein Gas, aber keine Luft. Das Gas war wohl für Leute einer andern Welt oder überhaupt niemand. Ich weiß es nicht.«
»Kannst du aufstehen?« fragte Gunnie.
Ich nickte. Aber wenn wir auf Urth gewesen wären, wäre ich beim Versuch umgefallen. Selbst auf dem Schiff, wo man so langsam fiel, mußten die beiden Frauen mich auffangen und stützen, als hätte ich einen Vollrausch. Sie waren von gleicher Größe (also fast so groß wie ich), hatten große dunkle Augen und ein volles freundliches Gesicht, das mit Sommersprossen übersät und von dunklen Haaren umrahmt war. »Du bist Gunnie«, flüsterte ich Gunnie zu.
»Wir sind’s beide«, erklärte mir die jüngere Frau. »Ich habe bei der letzten Fahrt angeheuert. Sie ist schon lange hier, glaube ich.«
»Habe schon viele Fahrten hinter mir«, pflichtete Gunnie ihr bei. »Zeitlich ist es eine Ewigkeit und weniger als nichts. Die Zeit hier ist nicht die Zeit, mit der du aufgewachsen bist auf Urth, Burgundofara.«
»Halt!« protestierte ich. »Ich muß nachdenken. Gibt es hier nichts, wo man ausruhen kann?«
Die Jüngere deutete auf einen düsteren Torbogen. »Da waren wir.«
Ich sah darin träufelndes Wasser und viele gepolsterte Sitze.
Gunnie half mir nach kurzem Zögern.
Die hohen Wände waren mit großen Masken geschmückt. Wassertränen strömten aus den Augen und sammelten sich in stillen Becken, auf deren Rändern Trinkgefäße standen wie der Becher, den die Jüngere für mich gefüllt hatte. In der gegenüberliegenden Wand des Raumes war schräg eine Luke eingelassen, deren Form mir verriet, daß sie zu einem Deck führte. Nachdem sich die Frauen links und rechts von mir gesetzt hatten, meinte ich: »Ihr beide seid ein und dieselbe Person, behauptet ihr, und ich glaube euch.«
Beide nickten.
»Aber ich kann euch nicht beim gleichen Namen rufen. Wie soll ich euch rufen?«
Gunnie sagte: »Als ich in ihrem Alter war und das Dorf verließ, um mich hier einzuschiffen, wollte ich nicht mehr Burgundofara sein, also ließ ich mich von den Kameraden Gunnie nennen. Bald tat es mir leid, aber als ich sie bat, wieder den alten Namen zu nehmen, wollten sie das nicht, sondern witzelten nur. Also nenn mich Gunnie, denn so heiß ich auch.« Sie holte tief Luft. »Und das Mädchen, das ich einmal gewesen bin, ruf, bitte schön, beim alten Namen. Sie wird ihn nicht ändern wollen.«
»Gut«, sagte ich. »Vielleicht ließe sich besser erklären, was mich plagt, aber da ich noch geschwächt und zu keinem klaren Gedanken fähig bin, kann ich’s nicht besser. Ich habe einmal einen gewissen Mann von den Toten auferstehen sehen.«
Sie machten große
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