Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
Vom Netzwerk:
offiziell nach wie vor bin. In dieser Aufmachung trat ich schließlich durch die Tür, wo abermals meine monströsen Wächter salutierten.
    Ich war nicht verlassen, und während ich mich noch ankleidete, hatte ich diese Furcht abgelegt; trotzdem beschäftigte mich dieser Gedanke noch, als ich durch den prunkvollen leeren Gang vor meinem Gemach schritt; des weitern beschäftigte mich die erträumte Thecla, die mich beglückt und verlassen hatte, und darüber hinaus Dorcas, Agia, Valeria und schließlich Gunnie, die ich mir ganz gern zur Geliebten erkoren hatte, als sie mir von Nutzen sein und ich keine andere kriegen konnte, und von der ich mich ohne Einwand hatte trennen lassen, als Tzadkiel mir eröffnete, sie habe die Seeleute weggeschickt.
    All mein Lebtag habe ich Frauen vorschnell verlassen, die Anspruch auf meine Treue gehabt hätten: Thecla natürlich, bis es zu spät war und ich nichts anderes mehr tun konnte als ihr das Sterben leichter zu machen; und nach Thecla Dorcas, Pia und Daria und zuletzt Valeria.
    Auf diesem riesigen Schiff stand ich nun im Begriff, die nächste fallenzulassen, aber nahm mir diesmal vor, mich anders zu verhalten. Ich wollte Gunnie suchen, wo immer sie auch wäre, und sie in meinen Gemächern wohnen lassen bis zur Rückkehr auf die Urth, wo sie, wenn sie wollte, zu den Ihren in ihr Fischerdorf zurückkehren könnte.
    Entschlossen ging ich meinen Weg, und das neu geheilte Bein erlaubte mir, mindestens ebenso rasch zu gehen wie damals beim Aufbruch an der Wasserstraße entlang des Gyolls. Freilich waren meine Gedanken nicht nur bei Gunnie. Ich war mir darüber bewußt, daß ich auf die Umgebung und den eingeschlagenen Weg merken mußte, denn nichts wäre leichter gewesen, als sich an Bord dieses weitläufigen Schiffes zu verirren, wie es mir schon auf der Reise nach Yesod mehr als ein Mal passiert war. Noch etwas wurde ich gewahr: einen gleißenden Lichtpunkt, der unendlich fern, aber unmittelbar wirkte.
    Nun muß ich, mit Verlaub, gestehen, daß ich es noch jetzt mit jener nachtfinstren Kugel verwechselt habe, die zur Lichtscheibe werden sollte, als Gunnie und ich sie durchschritten hatten. Der Weiße Born, der die Urth gerettet und zerstört hat, der brausende Geysir, von dem rohe Gase quellen aus dem Nichts, wird doch nicht das Portal sein, das wir durchschritten haben?
    Das heißt, ich habe stets daran gezweifelt in der Hektik des lichten Tages auf Urth, die unterginge ohne Neue Sonne; aber manchmal frage ich mich doch. Mag Yesod, von unserm Universum gesehen, sich vom innen gesehenen Yesod nicht ebenso unterscheiden wie ein von außen gesehener Mann zum Bild, das er von sich im Spiegel sieht? Ich erlebe mich oft als töricht und zuweilen schwach – einsam und ängstlich, viel zu gutmütig und, wie gesagt, vorschnell bereit, meine teuersten Freunde in Stich zu lassen, um irgendeinem Ideal nachzujagen. Dennoch haben Millionen vor mir gezittert.
    Mag der Weiße Born nicht doch ein Fenster zu Yesod sein?
    Der Gang machte Biegungen; und wie schon einmal beobachtete ich, daß es ein gewöhnlicher, wenngleich herausgeputzter Gang war, wo ich ging, daß aber der Teil vor und hinter mir zusehends seltsamer wirkte, wenn ich dorthin blickte, voller Nebel und unheimlicher Lichter.
    Schließlich erkannte ich, daß das Schiff sich umgestaltete, wenn ich in der Nähe war, aber, war ich weg, wieder eigene Formen annahm, genauso wie sich eine Mutter dem Kind widmet, wenn das Kind bei ihr ist, und simple Sprache benutzt und alberne Spiele macht – aber bei Gelegenheit Verse schreibt oder einen Liebhaber empfängt.
    Ob das Schiff etwas Lebendiges sein mochte? Schon möglich, ich bezweifelte so etwas nicht; aber ich hatte wenig gesehen, was darauf hindeutete, und warum bräuchte es dann eine Besatzung? Es ließe sich alles einfacher bewerkstelligen, und was Tzadkiel am Vorabend (ich rechnete die Zeit, in der ich geschlafen hatte, als Nacht) gesagt hatte, deutete auf einen simpleren Mechanismus hin. Wenn das Bild sich durchdringen ließ, sobald mein Fuß auf die Lehne drückte, so dämpfte sich vielleicht das Licht in meinem Gemach selbsttätig, sobald das Gewicht meiner Füße nicht mehr auf den Boden einwirkte, und formte sich der flexible Gang meinen Füßen gemäß. Ich beschloß, ihnen mit Hilfe meines geheilten Beins ein Schnippchen zu schlagen.
    Auf Urth wäre es nicht machbar gewesen – aber auf Urth wäre das ganze riesige Schiff unter dem Eigengewicht zusammengebrochen. Hier an Bord, wo

Weitere Kostenlose Bücher