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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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nicht, wißt alle beide nicht, wo wir sind.«
    Burgundofara sagte: »Das hier scheint ein Wartesaal zu sein, der freilich ausschließlich von uns benutzt wird.«
    »Ich meine, wo das Schiff ist. Wir sind außerhalb des Dis-Zirkels.«
    Ich sagte: »Mir sagte einmal jemand, der viel von der Zukunft wußte, eine Frau, die ich suchte, sei über der Erde. Ich dachte, er meine, sie sei noch am Leben. Das Schiff ist immer außerhalb des Kreises von Dis.«
    »Du weißt, was ich meine. Als ich mit dir an Bord kam, glaubte ich, wir hätten eine lange Reise vor uns. Aber warum hätten sie – Apheta und Zak – das tun sollen? Das Schiff verläßt gerade die Ewigkeit und verringert sein Tempo, damit der Tender es finden kann. Solange es das Tempo nicht verringert, ist es gar kein Schiff, wußtest du das? Wir sind wie eine Welle, wie ein Schrei, der durchs Universum wogt.«
    »Nein«, erwiderte ich, »das wußte ich nicht. Und ich kann es kaum glauben.«
    »Was man glaubt, ist manches Mal ausschlaggebend«, entgegnete Gunnie. »Aber nicht jedes Mal. Das habe ich hier gelernt. Severian, ich habe dir mal erzählt, warum ich als Matrose auf dem Schiff bleibe. Erinnerst du dich?«
    Ich blickte hin zu Burgundofara. »Ich dachte vielleicht …«
    Gunnie schüttelte den Kopf. »Um wieder zu werden, was ich gewesen bin, ich selbst. Du mußt dich selber erinnern, wie du wirklich in ihrem Alter gewesen bist. Bist du jetzt der gleiche Mensch?«
    Deutlich, als wäre er nun bei uns in diesem Saal der Tränen, sah ich den jungen Gesellen schreiten, dessen fuliginschwarzer Mantel sich hinter ihm blähte und über dessen linke Schulter das dunkle Kreuz von Terminus Est ragte. »Nein«, räumte ich ein, »ich bin längst ein andrer geworden und danach wieder ein andrer.«
    Sie nickte. »Also bleibe ich hier. Hier wird’s vielleicht, wenn es mich nur ein Mal gibt, passieren. Du und Burgundofara, ihr geht zurück auf die Urth.« Damit wandte sie sich ab und ging. Ich wollte aufstehen, aber Burgundofara drückte mich nieder, und ich war zu schwach zur Gegenwehr. »Laß Gunnie gehn«, bat sie. »Bei dir ist es schon passiert. Laß ihr auch eine Chance.« Die Tür fiel zu.
    »Sie ist du«, keuchte ich.
    »Dann laß mir eine Chance. Ich habe gesehn, was aus mir werden wird. Ist es, wenn man das sieht, verwerflich, sich zu bedauern?« Tränen traten ihr in die Augen.
    Ich schüttelte den Kopf. »Wenn du nicht um sie weinst, wer dann?«
    »Du.«
    »Aber nicht aus dem gleichen Grund. Sie war mir ein wahrer Freund, und solche hatte ich nicht viele.«
    Burgundofara meinte darauf: »Nun verstehe ich, warum alle Gesichter weinen. Das ist ein Raum zum Weinen.«
    Eine neue Stimme murmelte: »Für jene, die kommen und gehen.«
    Ich drehte mich um und sah zwei maskierte Hierodulen, und weil ich mit solchen nicht gerechnet hatte, dauerte es einen Moment lang, bis ich Barbatus und Famulimus erkannte. Famulimus hatte gesprochen, und ich rief vor Freude: »Meine Freunde! Kommt ihr mit uns?«
    Famulimus sagte: »Wir sind nur gekommen, um dich hierherzubringen. Tzadkiel schickte uns zu dir, aber du warst weg, Severian. Sag mir, ob du uns noch öfter sehen wirst.«
    »Noch oft«, erklärte ich ihr. »Auf Wiedersehen, Famulimus.«
    »Du durchschaust unsre Natur, das ist klar. So sei gegrüßt und auf Wiedersehen.«
    Barbatus ergänzte: »Die Luke geht auf, wenn Ossipago die Tür entriegelt. Ihr habt alle beide ein Luftamulett?«
    Ich zog das meine aus der Tasche und legte es um. Auch Burgundofara bestückte sich mit einem solchen Halsband.
    »Dann grüße ich dich wie Famulimus«, sagte Barbatus und verschwand im Durchgang, der sich hinter ihm schloß.
    Nahezu gleichzeitig öffneten sich die Flügeltüren am Ende des Raumes. Die Tränen der Masken verschwanden noch im Fallen und trockneten ganz. Hinter den Türen glänzte der schwarze Schleier der Nacht, der von Stern zu Stern gespannt war.
    »Wir müssen gehen«, sagte ich zu Burgundofara, worauf mir einfiel, daß sie mich nicht hören konnte. Ich näherte mich ihr und ergriff ihre Hand, woraufhin sich jedes gesprochene Wort erübrigte. Gemeinsam verließen wir das Schiff, und während ich an der Schwelle innehielt, um einen letzten Blick zurück zu tun, fiel mir plötzlich ein, daß ich seinen Namen gar nicht kannte, falls es einen Namen hatte, und daß drei der Masken die Gesichter von Zak, von Tzadkiel und vom Kapitän waren.
    Der Tender, der uns erwartete, war weitaus größer als das kleine Vehikel, das mich auf

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