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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Moritz ganz ohne Pferd und gesellte sich bereits vor dem Hoftor zu Eva.
    «Erzähl mir ein wenig von dir», bat er. «Woher kommst du? Was hast du vor, wenn du von hier weggehst?»
    «Aus Wien bin ich», log sie. Die Habsburgerstadt schien ihr weit genug weg und groß genug, als dass sie sich damit keine Falle stellte.
    «Sag bloß! Aus dem schönen Wien?» Er riss seine smaragdgrünen Augen auf. «Das hört man gar nicht heraus. Du sprichst fast wie die Leute hier.»
    «Bin ja auch schon lange fort von da.»
    «Ich war zweimal in Wien: letzten Monat erst, als Kaiser Ferdinand starb, und dann als Kind, beim Einzug des Thronfolgers. Das hättest du sehen sollen – auf einem riesigen Elefanten kam der junge Maximilian angeritten! Die ganze Reise von Spanien her soll er darauf geritten sein. – Aber warum nur bist du weg aus dieser herrlichen Stadt? Ich meine, du bist ja noch so jung, hast kaum einen Bart ums Maul.»
    «Es lief nicht gut zwischen mir und meinem Stiefvater.» Das wenigstens war nicht gelogen. Hinter der Wegbiegung tauchte der Turm der Dorfkirche auf. Schade, schoss es Eva durch den Kopf. Schade, dass ihr Zusammensein gleich ein Ende finden würde.
    «Und was hast du vor?»
    Auch hierzu wollte sie nicht lügen und erzählte von ihrem Vorhaben, ein wenig Erfahrung auf der Stör zu sammeln, um dann ihren Bruder in Straßburg aufzusuchen.
    «Dort will ich die Sprache der Welschen lernen, meinen Meister machen und dann eine eigne Werkstatt im Franzosenreich eröffnen.»
    Der Junker sah sie ungläubig an und schüttelte den Kopf. «So was hab ich ja noch nie gehört. Warum machst du’s dir so beschwerlich?»
    Wider Willen musste Eva lächeln. «Beschwerlich? Ich will nur was von der Welt sehen. Ihr Herren von edlem Stand zieht doch auch in der Weltgeschichte herum. Ich wette, Wien ist nicht die einzige berühmte Stadt, die Ihr kennt.»
    «Gut, gut, du hast gewonnen! Aber ein komischer Kauz bist du trotzdem. Wenn ich nur wüsste, wo ich dich schon mal gesehen habe. Ich bin mir darob ganz sicher. Irgendwo auf meinen Reisen.»
    Eva verbarg ihre Hände hinter dem Rücken, die zu zittern begannen. Jetzt wünschte sie sich nichts sehnlicher, als endlich in der Kirche zu sein.
    «Ich hab’s!»
    Eva schrak zusammen.
    «Du hast gewiss eine Schwester! Vielleicht ein, zwei Jahre älter als du, mit wilden, dunklen Locken.»
    «Aber nein! Ich hab nur diesen einen Bruder in Straßburg. Ihr müsst Euch irren.»
    Sie waren auf dem Kirchhof angelangt. Moritz von Ährenfels maß sie mit einem letzten prüfenden Blick.
    «Seltsam, wirklich seltsam. So schnell irre ich mich bei Gesichtern sonst nicht.»
    Dann betrat er den Seiteneingang, der zur Familienempore führte. Eva stand mit gesenktem Kopf und wartete, bis sie an der Reihe war, das Kirchenschiff zu betreten. Sie war sich sicher, dass sie Moritz’ letzten Satz schon mal aus seinem Mund gehört hatte.
    Als der Junker gleich nach dem Gottesdienst von Hartmann von Zabern zur Seite genommen wurde, nutzte sie die Gelegenheit und machte sich, so schnell sie konnte, aus dem Staub. Auch wenn sie ihn brennend gern gefragt hätte, warum ihm denn dieses Mädchen mit den dunklen Locken so lange im Gedächtnis geblieben sei.

27
    Roderich von Ährenfels, Ministeriale des Baiernherzogs Albrecht, war ein ganz und gar widerwärtiger Mensch. Von jenem Tag an, als der kleine, untersetzte, wie ein Pfau aufgedonnerte Edelmann vom Ständetag zurück war, war es vorbei mit dem alles in allem behaglichen Alltag auf dem Herrenhof. Nicht dass unter Roderich generell ein strenges Regiment geherrscht hätte – es waren vielmehr seine Unberechenbarkeit und sein aufbrausendes Wesen, die die Stimmung lähmten wie ein drohendes Gewitter. Das Geplapper und Geschnatter der Mägde verstummte, jeder schlich mit eingezogenen Schultern und gesenktem Kopf seiner Wege, selbst das Kleinvieh schien sich in den Winkeln und Nischen des Hofes zu verstecken. Die bleierne Stille, die plötzlich über dem Landgut lag, wurde nurhin und wieder von den herrischen Befehlen des Alten durchbrochen. Ungehalten, im Tonfall eines Feldhauptmanns, beffte und belferte er dann seine Anweisungen durchs Haus oder quer über den Hof. Fast noch ärger wurde es gegen Abend, wenn er ausreichend Bier und Wein in sich hineingeschüttet hatte: Dann grölte er unflätige Soldatenlieder oder vergnügte sich mit losen Weibern.
    Die hatte er nämlich mit sich gebracht, im Gefolge seines kleinen Trosses. An jenem Nachmittag hatte Eva

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