Die Vagabundin
Mauerknechten sowie ein gutes Dutzend Mägde und Knechte für die Feld- und Gartenarbeit.
Als Aufwarter drüben im Haus verdingten sich zwei Kammerdiener und zwei Kammerfräulein, dazu Mundschenk,Tischdiener und Schürknecht. In der kleinen Kanzlei des Edlen von Ährenfels schließlich residierten der Kämmerer, der sich zugleich als Schreiber verdingte, und, in uneingeschränkter Herrschaft über alle anderen, der Hofmeister, ein kurzatmiger Dickwanst, dem Eva möglichst aus dem Weg ging. Von Anbeginn an nämlich war Hartmann von Zabern ihr mit unverhohlener Abneigung begegnet – warum auch immer.
Fast ebenso zuwider blieb ihr der Torwächter, von allen nur Rotbart gerufen. Mit den beiden Mauer- und Kellerknechten hingegen freundete sie sich, trotz des unschönen ersten Zusammentreffens, bald an. Sie waren vielleicht nicht gerade die Hellsten, auf ihre Art aber gutmütig und freundlich.
Auch was Kleidung und Äußeres der Leute betraf, fühlte man sich eher in ein ganz normales Dorf versetzt als auf einen Herrenhof. Bei der täglichen Arbeit überwogen, zumal bei den Männern, Kleider aus groben, zweckmäßigen Stoffen, und wer nicht barfuß ging, trug plumpes Schuhwerk mit dicken Sohlen. Nicht einmal Hofmeister und Kämmerer unterschieden sich wesentlich von ihrer Dienerschaft. Nur an Sonn- und Feiertagen oder wenn hoher Besuch eintraf, legten sie ein vornehmes Gewand an.
Es gab nur einen, der tagaus, tagein herumstolzierte wie ein aufgeputzter Affe, und das war Kilian von Ährenfels. Er hätte wahrhaftig eher in eine Residenz wie München gepasst, schon allein seines hochnäsigen Gesichtsausdrucks und seiner blasierten Ausdrucksweise wegen. Ansonsten aber fluchte und lachte man hier in derselben Sprache wie der einfache Landmann, schnäuzte sich am Ärmel, spuckte auf den Boden und grölte abends beim Weißbier dieselben Lieder wie in jeder Dorfschenke. Vielleicht ging es ja drinnen im Saal etwas gesitteter zu, doch außer der prächtigen Eingangshalle hatte Eva von dem Herrenhaus noch nichts zu Gesicht bekommen.
Auch die Umgebung des Landguts kannte sie kaum, denn bis auf den Kirchgang bot sich ihr keine Gelegenheit herauszukommen. Die Herren von Ährenfels besaßen keine eigene Kapelle, und so wurde, auf gut Katholisch, in der nächstgelegenen Dorfkirche gebetet.
Schon der erste Kirchgang ließ Eva mit dem jungen Herrn zusammentreffen. Es war zu Mariä Himmelfahrt, und bereits in der frühen Morgenstunde stand die Luft vor Hitze. Moritz von Ährenfels nahm, wie der Hofmeister und die übrigen Mitglieder seiner Familie, den Weg ins Dorf hoch zu Ross. Als er Eva erblickte, stieg er sofort ab und führte seinen Rappen neben sich her.
«Ich hab gehört, du hast dich gut eingefunden.» Er strahlte sie an. «Nächste Woche kommt unser Vater zurück. Ich bin sicher, er wird zufrieden sein mit deiner Arbeit. Und wenn der erst seine und Kilians Kleidertruhen öffnet, dann hast du Arbeit auf Wochen. Hättest du denn die Zeit, oder musst du weiter?»
«Nein, nein, mich treibt nichts.»
Eva spürte, wie die Verlegenheit ihr fast die Stimme raubte. Warum nur musste der Junker ausgerechnet neben ihr gehen? Und warum diese Freundlichkeit? Was hatte ein Edelfreier schon mit einem Schneiderknecht zu schaffen? Jetzt wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
«Was für eine Hitze am frühen Morgen. Hoffentlich gibt das kein Gewitter. Wir wollen morgen mit der Kornernte beginnen.»
«Wir?» Eva vermochte den Spott in ihrer Stimme nicht zu verbergen.
«Auch wenn du es nicht glaubst: Ich helfe mit.» Er lachte. «Schneiden, Garben binden, kutschieren – es macht mir Spaß. Die meisten Menschen haben ein grundfalsches Bild von uns Kleinadligen. Letztlich haben wir mehr mit dem Landvolk gemeinsamals mit den Grafen und Fürsten. Ich kann mich noch erinnern, wie wir Kinder, vor dem Neubau des Herrenhauses, mit dem Gesinde in einem Raum geschlafen haben. Weißt du, im Grunde unterscheidet uns vom reichen Bauern nur der Grundbesitz. Und natürlich Burgbann und niedere Gerichtsbarkeit. Aber was schwatz ich da – das interessiert dich als Schneider gewiss gar nicht.»
«Doch, doch.» Eva errötete. «Sprecht nur weiter. Bitte!»
Aber in diesem Moment rief Junker Kilian ihn zu sich, herrisch und mit sauertöpfischer Miene.
«Auf ein andermal.» Moritz hob die Hand zum Gruß und schwang sich mit der Leichtigkeit einer Feder auf sein Pferd.
Zwei Tage später war Sonntag und damit wiederum Kirchgang. Diesmal erschien
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