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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Gerichtsherren verwehrt wurde.
    Irgendwann brachte ihr Michel, der ältere der beiden Wärter, einen Armvoll Kleider.
    «Hier, zieh das an. Sollst nicht mehr als Mannsbild vor Gericht erscheinen, hat’s geheißen.»
    Verwundert betrachtete Eva im Schein der Lampe das schlichte, aber nagelneue Kleid aus dunkelgrauem Wollstoff und das blaue Schultertuch.
    «Da staunst du, was? Von den Schneidern gestiftet. Die wollen nicht, dass du in Lumpen vor die hohen Herren trittst.»
    «Wird denn heut das Urteil verkündet?», fragte sie leise.
    «Nein. Ich soll dich gleich rüber ins Wägloch bringen, derBote aus Schwabach ist zurück.» Michel sah sie voller Mitleid an. «Zieh dich also rasch um.»
    Als Eva, in ihrem sauberen Kleid und mit gebundenen Händen, das Wägloch betrat, wartete man bereits. Hinter der langen Holztafel saßen die beiden Inquisitoren, der Ammann und der Gerichtsschreiber, am Kopfende ein weiterer Ratsherr. Erst auf den zweiten Blick entdeckte Eva den Mann, der da im Halbdunkel in der Ecke stand: Das gelbe Wams über dem nackten, muskulösen Oberkörper und der Lederschurz ließen den Nachrichter erkennen. Mit einer Handbewegung eröffnete Herpfer die Sitzung, und in Evas Ohren begann es zu rauschen. Sie verstand kaum die Worte, die Hans Heidenreich nun mit eisiger Stimme an sie richtete.
    «Nun, Eva Barbiererin – auch deinen Wohltäter Konrad Reysenleiter hast du belogen und betrogen. Hör zu, was unser Bote aus Schwabach berichtet hat, und dann sage, ob sich dem so verhält.»
    Hatte dieser Eiberspacher schon immer eine solch hohe, bissige Stimme gehabt? Wie berstendes Glas klangen seine Worte über einen gewissen Adam Portner, der sich als Student und Sohn eines Passauer Ratsherrn ausgegeben und den braven Eisenkrämer in seinem Werk christlicher Nächstenliebe und Barmherzigkeit auf schändliche Weise ausgenutzt habe. Ein grandioses Narrenspiel habe der Junge vor dem frommen Mann aufgeführt, indem er unter erbärmlichem Zittern von dem Überfall durch drei Wegelagerer erzählt habe, die ihm alles genommen hätten. Ihm, einem Sohn aus bester und vornehmster Passauer Familie, der auf dem Weg zum Bruder an die Fakultät von Straßburg sei, um dort die welsche Sprache zu lernen. Daraufhin habe sich dieser Adam von ihm aushalten lassen, nur um ihn hernach zum Dank zu bestehlen. Sogar die Fallsucht habe dieser Betrüger vorgetäuscht, um sein Mitleidzu erregen, und man müsse annehmen, dass auch der Überfall erstunken und erlogen sei.
    «Genauso erstunken und erlogen», donnerte nun Heidenreich, «wie der Raub durch jenen Bartel von Pfäfflingen!»
    «Das ist nicht wahr», presste Eva hervor. «Bartel hat mir meine Schuhe gestohlen, in einem Kuhstall nicht weit von Donauwörth.»
    «Nichts als Lügen gibst du von dir, und somit hat das Gericht beschlossen, dich mit Ernst und im Beisein des Nachrichters zu befragen.»
    Heidenreich nickte dem Mann im gelben Wams zu. Der trat auf Eva zu, mit zwei verschraubten Eisenplatten, die an der Innenseite mit Nieten versehen waren.
    «Bitte nicht!» Eva sank auf die Knie. «Ich will Euch alles sagen, die ganze Wahrheit.»
    «Das wirst du», höhnte Heidenreich. «Worauf du dich verlassen kannst. Hände auf den Tisch!»
    Im nächsten Augenblick schon hatte der Nachrichter ihre Handgelenke gepackt und die Daumen zwischen die Eisen gelegt. Allein der erste Druck auf ihre Fingernägel ließ ihr die Tränen in die Augen schießen.
    «Nicht die Tortur», flehte sie. «Verschont mich, ich – ich bin guter Hoffnung.»
    «Was bist du?»
    «Die Büttel – die mich aus Regensburg geführt haben – diese Männer – sie haben mich mit Gewalt genommen   …»
    «Glaubst wohl», unterbrach Heidenreich sie, «du kommst mit dieser neuerlichen Lüge davon? Und selbst wenn: Für den ersten Grad der Tortur ist eine Schwangerschaft ohne Belang. Gesteh endlich, dass diese Überfälle erfunden sind. Und dass du den Eisenkrämer bestohlen hast. Gestehe!»
    «Bitte – nicht – nein!»
    Die nächste Umdrehung quetschte ihr die Daumennägel ins Fleisch, und sie stieß einen gellenden Schrei aus.
    Joachim Flanser hob den Arm, und der grauenhafte Schmerz ließ nach.
    «Jetzt sprich, Eva.» Flansers Stimme klang sanft wie die einer Mutter.
    «Es ist – alles so wirr in meinem Kopf», keuchte sie. «Bitte lasst mich gehen. Ich wollte niemandem was Böses. Auch der Barreiterin nicht. Vielleicht hab ich ja mal die Unwahrheit gesagt, in der Verzweiflung. Ich weiß manchmal selbst nicht

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