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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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mehr, was ich rede   …»
    «Sie ist verstockt», hörte sie Heidenreich sagen. «Meister Endris, macht weiter.»
    Wie mit glühenden Eisen stach ihr der Schmerz jetzt in die Finger, und sie verlor fast die Besinnung. Ihr Kopf hob und senkte sich, sie wollte etwas sagen, doch aus ihrem geöffneten Mund kam nur ein Röcheln.
    Der Daumenstock wurde entfernt, und Eva starrte erst auf die blutige Masse ihrer gequetschten Daumen, dann auf die beiden Männer vor ihr. Flanser nickte ihr aufmunternd zu.
    «Ich hab Schuhe gestohlen», flüsterte sie, «vom Wagen des Eisenkrämers.»
    «Weiter!» Das war Heidenreich, dessen Augen sie wie Pfeile durchbohrten. «Was noch?»
    «Obst, aus den Gärten. Und alte Semmeln vom Karrenbäcker am Markt. Einem Bauernjungen Hemd und Hose.»
    «Na also. Es geht doch. Weiter!»
    «Einmal auch ein Damasttuch von der Bleiche. Dem Löwenwirt in Calmunz hab ich zehn Kreuzer vom Zahlbrett genommen. Und aus einer Herberge nahe Straubing einige Ellen Leinen, und dann – ich glaub, noch ein paar alte Schuhe, einem Nürnberger Schuster.»
    «So gibst du also zu, eine Diebin zu sein?»
    «Nichts Wertvolles, Ihr Herren.» Ihre Kehle brannte, und jedes Wort tat weh. «Immer aus der Not. Aus Hunger. Wenn das Betteln und Vorsingen nichts half.»
    «Also hast du auch gebettelt?»
    Sie nickte entkräftet. Das alles hier sollte ein Ende haben. «Aber nur, wenn der fallende Wehtag wieder kam, diese Schwächeanfälle, die kommen und gehen. Auch jetzt – mir ist ganz dünn und seltsam im Kopf.»
    Flanser erhob sich. «Ich denke, das genügt vorerst. Was meint Ihr als Schiedsherr, Vogelmann?»
    Der Mann am Kopfende, der bislang geschwiegen hatte, nickte.
    «Zwei Punkte zumindest scheinen klar zu sein: Die Malefikantin ist eine Diebin, und sie hat sich in betrügerischer Weise männliche Vorrechte zu eigen gemacht, ja, hat als Beweis ihrer Verdorbenheit sogar einer Frau die Ehe versprochen. Statten wir dem Rat erst mal Bericht ab und klären das mit der angeblichen Schwangerschaft.»
     
    Behutsam wechselte Michel ihr den Verband, den der Scharfrichter nach dem Verhör angelegt hatte. Fünf Tage waren seither vergangen, die Eva in einer Art Dämmerzustand verbracht hatte.
    «Du musst richtig essen», sagte er beinahe vorwurfsvoll. «Sonst stehst du das nie und nimmer durch. Weißt, was ich gehört hab? Dieser Flanser glaubt, dass nur der Hunger und die Not dich vom rechten Weg abgebracht haben und dass man dir nur Mundraub und kleine Diebstähle vorwerfen könne, nichts weiter.»
    «Sie sollen mich endlich richten», erwiderte sie leise. «Ich mag nicht mehr, ich hab keine Kraft mehr.»
    «So ein Schmarrn. Du darfst nicht aufgeben. Die Schneider und etliche andre Bürger mehr haben Fürbitte eingereicht. Das kann deine Strafe mildern. Vor allem der Meister Sick setzt sich für dich ein. Weil du doch noch so jung bist.»
    Eva schwieg. Schließlich fragte sie:
    «Was für ein Tag ist heut?»
    «Morgen ist Michaelis.»
    Eva sah erstaunt auf. Ende September schon – dann lag sie bereits seit drei Wochen gefangen! Moritz musste längst zurück sein aus Landshut, und das bedeutete nichts anderes, als dass ihm die Reiter die Nachricht niemals ausgerichtet hatten. Er konnte nicht einmal ahnen, dass sie nur wenige Meilen von ihm entfernt im Verlies lag.
    «Ich hab keine Kraft mehr», wiederholte sie und ließ sich auf ihr Strohlager sinken.
     
    Drei Tage später wurde sie erneut vorgeführt. Sie sah den Scharfrichter, sah die ernsten Gesichter der Herren Vogelmann, Herpfer, Flanser und Heidenreich und wusste sofort, dass die Tortur fortgesetzt würde.
    «Du bleibst also dabei, dass du mehrfach gestohlen hast?», eröffnete Heidenreich das Verhör.
    «Ja», antwortete sie matt.
    «Gestehst du ebenso, dass du die gesamte Nördlinger Schneiderzunft sowie den Schwabacher Eisenkrämer getäuscht und betrogen hast?»
    «Ja.»
    «Gut. Dennoch wissen wir, dass du beim letzten Mal erneut gelogen hast: Die Hebamme hat ausgesagt, du seist keineswegs schwanger. Ein Grund mehr für uns, zu vermuten, dass du uns nicht die ganze Wahrheit gesagt hast. Zufällig haben unsere Nachforschungen ergeben, dass nicht weit von Velburg in einerReiseherberge etliche Schlafgäste bestohlen wurden. Ein junges Weib, auf das deine Beschreibung passt, hatte ihnen in der Nacht Kleider und Schuhe entwendet.»
    «Aber ich hatte doch alles bezahlt, von meinem Ersparten – fragt nur den Rösslwirt!» Sie biss sich auf die Lippen und

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