Die Vagabundin
gelegt und auf ewig und immer der Reichsstadt Regensburg verwiesen», beschloss Eiberspacher seinen Bericht.
Herpfer räusperte sich. «Bist du also jenes Weib?»
«Ja, Ihr Herren.»
«Lauter!»
«Ja!»
Der Ammann wandte sich zur Seite. «Die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen ist nun Eure gewichtige Aufgabe, Joachim Flanser und Hans Heidenreich.» Die Angesprochenen nickten ernst. «Wächter, zeig ihr die Instrumente. Sollte sich die Delinquentin weiterhin in ihren Lügengeschichten verstricken, steht der Weg frei für die peinliche Befragung.»
Nun folgte, was Eva bereits aus der Regensburger Fragstatt kannte. Letztlich aber war die Beschau der Foltergeräte völlig unnötig, denn wenn Eva eines wusste, dann, dass sie vor diesen Herren nichts als die Wahrheit sagen wollte. Nur so sah sie noch eine letzte Möglichkeit, mit einer Ehrenstrafe wie in Regensburg davonzukommen. Ein Narrenhäuslein gab es auch hier, gleich unter dem Söller der Rathaustreppe.
Nachdem ihr endlich das Wort erteilt worden war, begann sie, ohne Punkt und Pause zu reden:
Sie heiße Eva Barbiererin, sei siebzehn Jahre alt und die leibliche Tochter des Schneidermeisters Hans Portner und angenommeneTochter des Baders Gallus Barbierer. Geboren sei sie im böhmischen Glatz, dann mit dem Ziehvater und den Geschwistern über Wien nach Passau gekommen. Als der Ziehvater sie mit seinem Vetter habe verheiraten wollen und sich auch sonst ganz widerwärtiglich gezeigt habe, sei sie von zu Hause weggelaufen. Sie habe die Welt sehen wollen, vor allem die berühmten Städte Regensburg, Ulm und Straßburg. Am Anfang habe sie mehr recht als schlecht vom Vorsingen und von Gelegenheitsarbeiten gelebt. Dann habe sie längere Zeit für einen Wanderschneider gearbeitet, denn sie habe bereits als Kind das Nähen und Zuschneiden gelernt.
An dieser Stelle unterbrach sie Hans Heidenreich, einer der beiden Untersuchungsrichter: «Hattest du da schon dein schändliches Gaukelspiel betrieben?»
«Wie meint Ihr?»
«Ob du als Mann gegangen bist, will ich wissen!»
Eva dachte nach. Der gute Wenzel Edelman! Sollte sie ihn erwähnen? Nein, besser war es, keine Namen zu nennen. Auch Niklas und Josefina wollte sie vor Nachstellungen schützen. Sie schüttelte den Kopf.
«Nein, zu dieser Zeit noch nicht.»
«Das heißt, du hast als Vagantin auf der Straße gelebt. Hast zu diesen Störzern, diesem umschweifenden Gesindel gehört, das unsere Landstraßen unsicher macht.»
«Was blieb mir übrig? Nach Haus zurück konnt ich nicht.»
«Und auf der Straße? Was für böse Stücke hast du dort begangen? Hast du gebettelt, gestohlen – gehurt?»
«Aber nein! Niemals!»
Heidenreich sah sie voller Verachtung an: «
Das Weib gehört ins Haus wie der Nagel in die Wand
, sagt unser Doctor Luther! Wie recht er damit hat, sehen wir an einer Kreatur wie dir leider in aller Deutlichkeit. Weiter jetzt!»
Eva schluckte und fuhr fort: Danach sei sie nach Straubing gelangt, wo sie das kalte Fieber erwischt habe und sie viele Wochen lang krank bei einer Verwandten gelegen habe. Dort habe man sie aber nicht haben wollen, und so sei sie weiter auf Wanderschaft gegangen. Da sie aber die Erfahrung gemacht habe, dass das Leben auf der Landstraße und in den Herbergen für eine Frau zu gefährlich war, habe sie sich Mannskleider gekauft und sei als Schneiderknecht gegangen.
«Was meist du mit ‹gefährlich›?»
«Nun – ich wollt meine Ehre bewahren. Ein junges Weib ohne Schutz und Begleitung ist doch Freiwild für jeden bösen Schelm, das hab ich mehr als einmal erleben müssen.»
«Aha! Dann bist du also gar keine Jungfrau mehr!» Heidenreich sah sie mit seinem hageren, kantigen Gesicht lauernd an.
«Nein, nein, so meint ich das nicht. Aber ich musst mich oft genug gegen Zudringlichkeiten wehren. Das hatte ich gründlich satt.»
Jetzt mischte sich zum ersten Mal Joachim Flanser ein. Selbst im Sitzen war er um einen Kopf kleiner als sein Kollege. Mit seinem dicken, bartlosen Gesicht sah er gutmütig aus wie ein Schaf und zugleich wie einer, der den Freuden des Lebens nicht abgeneigt war. An ihn würde sie sich halten müssen, dachte Eva verzweifelt.
«Sag mir nun: Wie lange geht das schon mit diesem Mummenschanz?»
«Ich weiß nicht – ein gutes Jahr vielleicht? Mein Leben war am Ende ein solches Durcheinander, ich vermag’s gar nicht zu sagen.»
«Ein gutes Jahr vielleicht – hm. Und da ist bis Regensburg dein Possenspiel niemals aufgeflogen? Bist niemals entdeckt
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