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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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betraten mit eisigem Gesicht die Zelle.
    «Aufstehen», befahl Herpfer. In seiner Hand hielt er ein Papier.
    Eva begann am ganzen Körper zu zittern, als sie sich von ihrem Strohlager aufrappelte.
    «Von wegen Spaziergang!» Der Ammann begann vor ihr auf und ab zu gehen. Dabei fuchtelte er mit dem Papier unablässig vor ihrer Nase herum. «Nichts als Lügen! Das hier ist dein Abschiedsschreiben an Sick und Bröcklin. Dir war wohl der Boden unter den Füßen heiß geworden.»
    Eva spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Auch das hatte sie nicht bedacht – warum nur hatte sie überhaupt diesen verräterischen Brief geschrieben? Fehler über Fehler hatte sie in letzter Zeit gemacht, grad so, als sei sie nicht mehr bei klarem Verstand.
    «Ich hatte Heimweh», flüsterte sie. «Heimweh nach meinemElternhaus. Nur deshalb wollt ich weg. Ist – ist der Bote aus Schwabach zurück?»
    «Ha!», donnerte der Bürgermeister so laut, dass selbst der Wächter hinter ihm zusammenzuckte. «Das ist der nächste Punkt. Kratzer war noch gar nicht in Schwabach. Was er in Regensburg erfahren hat, ist nämlich ungleich dringlicher. Wir wissen nun, dass es gar keinen Regensburger Ratsherrn mit Namen Hans Portner gibt, der angeblich dein Vater ist. Wohl aber» – jetzt blieb er dicht vor ihr stehen und packte sie beim Kinn   –, «wohl aber einen Regensburger Ratsherrn mit Namen Christoph Portner. Das hättest du nicht gedacht, du Lügenbeutel, was?»
    Vergeblich versuchte sie etwas zu erwidern, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken.
    «Und jetzt rate mal, was unser Bote von diesem braven Mann erfahren hat!»
    Er ließ ihr Gesicht los, und sie schloss die Augen. Voller Angst schüttelte sie den Kopf, als könne sie damit abwehren, was nun unweigerlich folgen würde.
    «Dieser Portner sagte, das könne nur Betrug sein, er habe keinen Sohn, der Schneiderknecht sei. Als Kratzer aber dein Aussehen beschrieben hatte, da war dem Ratsherrn ganz schnell ein Licht aufgegangen.» Seine Stimme wurde schneidend. «Solchermaßen hätte auch dieser Erzschelm ausgesehen, der sich vor einiger Zeit in Regensburg herumgetrieben und Adam Auer genannt habe, Sohn eines Ratsherrn zu Linz. Der habe der Spitalmutter öffentlich die Ehe angetragen, schließlich aber sei herausgekommen, dass er ein Weibsbild war, und man habe das Luder aus der Stadt gejagt!»
    Es war aus mit ihr, endgültig. Sie hörte Herpfer noch sagen: «Lassen wir die Hebamme rufen!», dann sank sie zu Boden.
     
    Die städtische Hebamme konnte es augenscheinlich nicht fassen, was da unter Hemd und Hose zum Vorschein gekommen war.
    «Ein Weib wie ich selbst, nur bestens geschnürt», murmelte sie, während Eva sich wieder ankleidete, und rief nach dem Wärter. Auch der schien vollkommen verwirrt.
    «Bei allen drei heiligen Madln! Bist du nun ein Weib oder ein Monster?»
    Eva antwortete nicht.
    «Was wartest noch?», fuhr die Hebamme den Mann an. «Hast doch gehört, was der Bürgermeister befohlen hat. Los, setz dich in Bewegung und gib dem Ratsweibel Bescheid, dass er sie holen lässt.»
     
    Das Verlies unter dem Rathaus, in das zwei schwerbewaffnete Büttel sie brachten, war ein kaltes, schmutziges Gewölbe. Dagegen war die Zelle im Strafturm fast so annehmlich wie eine Herbergskammer gewesen, mit ihrem sauberen Stroh und der Fensterluke unter der Decke.
    «Was geschieht nun mit mir?», fragte sie den Wärter, einen alten, buckligen Mann, der ihr einen Becher Wasser brachte.
    Der zuckte die Schultern. «Ich denk mal, der Geheime Rat wird kommen und dich befragen. Gütlich oder peinlich, wie auch immer.»
    Am selben Tag noch wurde sie nach nebenan ins Wägloch geführt, einen fensterlosen Raum, der ähnlich der Regensburger Fragstatt mit furchterregenden Geräten und Instrumenten bestückt war.
    Eine ganze Abordnung von hohen Herren empfing sie dort, hinter einem langen Holztisch aufgereiht wie die Jünger des letzten Abendmahls. Im Schein der Tranlampe erkannte Eva Stadtamman Herpfer, Bürgermeister Wörlin und KanzleischreiberEiberspacher. Die anderen sechs Ratsherren waren ihr fremd. Alle starrten sie jetzt erwartungsvoll an.
    «Beginnen wir», durchbrach Herpfer die Stille und nickte dem Schreiber zu. Der verlas mit eifriger Stimme den Bericht des Stadtboten Wilhelm Kratzer. Eva selbst klang alles so unerhört in den Ohren, als ob sie der Geschichte einer wildfremden Person lausche.
    «Haben dann besagtes Weib zur öffentlichen Ausstellung auf drei Stunden ins Narrenhäuslein

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