Die Vampir-Dschunke
nach links, denn dort bewegte sich die Tür.
Es erschien kein Vampir, sondern Lisa, die Haushälterin. Sie war Halbchinesin. Ihr Vater hatte die dunkle Haut eines Afrikaners besessen und diese seiner Tochter vererbt. Lisa arbeitete bereits seit Jahren im Haus und gehörte nicht mehr zu den jüngsten Menschen.
»Was willst du, Lisa?«
»Nur fragen, ob ich etwas zu essen bringen soll.«
»Nein.«
Sie ging wieder und Hainan schlug mit beiden Händen gegen seine Stirn. »Die hat Nerven. Wer soll denn in einer Lage wie dieser schon essen? Das ist doch verrückt.«
»Sie war nur besorgt.«
»Ach, egal.« Er winkte ab.
Unter Kontrolle hatte sich Hainan nicht mehr. Er war im Laufe der Zeit einfach zu sehr Europäer geworden und hatte auch diese Verhaltensweisen angenommen, wofür er bei Suko keine Sympathiepunkte erwarb.
Hainan schaute auf die Uhr. »Die Zeit scheint gar nicht zu vergehen! Draußen ist es dunkel, aber wir haben noch keine Nacht. Meinst du, dass sie trotzdem schon in der Nähe sind?«
»Auf der Dschunke sind sie jedenfalls nicht mehr.«
»Dann gibt es nur die eine Möglichkeit.«
»Das glaube ich auch.«
»Und warum sind sie noch nicht hier?«
»Ich weiß es nicht, denn ich kenne ihre Pläne nicht. Sie sind auf dich fixiert.«
»Ja, man will mich vernichten. Dabei habe ich nichts zerstört, verdammt, ich wollt nur das Beste.«
Suko konnte über dieses Selbstmitleid nur den Kopf schütteln. So hatte er Hainan nicht eingeschätzt, der in Chinatown der große Bonze war und vor dem die Menschen Respekt und manchmal auch Angst hatten. Sein Benehmen empfand Suko fast als widerlich.
»Ich werde mich mal umsehen«, sagte er.
»Wie? Wo?«
»Im Haus.«
Hainan saß wie auf dem Sprung. Er wollte etwas sagen, überlegte es sich anders und nickte. »Ist schon gut. Mach, was du willst.« Er lehnte sich wieder zurück. »Ich werde weiterhin ein Auge auf den Garten haben. Von irgendwoher müssen sie ja kommen.«
»Einverstanden.«
Suko war froh, den Raum verlassen zu können, in dem es nach Whisky und Schweiß roch. Ein Geruch, den Hainan hinterlassen hatte und der etwas über seinen Zustand aussagte.
Das Haus war praktisch ein Bungalow. Die Zimmer verteilten sich ebenerdig. Es gab mehrere Flure, sodass ein Fremder leicht den Überblick verlieren konnte. Einen Keller gab es ebenfalls nicht, aber einen Pool. Er befand sich in einem angebauten Seitentrakt. Er war wie ein Wintergarten gebaut, wobei sich das gläserne Dach öffnen ließ und nach zwei Seiten wegschwang. Das hatte Hainan ihm voller Stolz erklärt.
Suko öffnete die schwere Haustür aus Bronze und schaute ins Freie. Die Dunkelheit hatte auch diese Stelle erfasst. Über dem Boden breitete sie sich aus wie ein schwarzgraues Tuch, das allerdings durch helle Flecken oder Kreise unterbrochen wurde, denn eine Anzahl von Lampen flankierten die Zufahrt.
Dort bewegte sich nichts. Suko glaubte auch nicht daran, dass die Horde den normalen Weg nahm. Die Gestalten würden sich anschleichen und heimlich in das Haus eindringen. Oder einen Angriff starten, an dem alle zugleich beteiligt waren.
Auch von Justine Cavallo sah Suko nichts. Er fragte sich mittlerweile, ob die Vampirin überhaupt in der Nähe lauerte. Wenn ja, dann würde sie bestimmt abwarten und erst dann zuschlagen, wenn sie die Lage für richtig hielt.
Er drehte sich von der offenen Tür weg, um sie zu schließen. Etwas Fremdes kroch plötzlich über seinen Nacken hinweg. Suko wusste genau, dass er nicht mehr allein war, fuhr herum – und sah Lisa vor sich, die ihn anlächelte.
Im etwas dämmrigen Licht der Flurbeleuchtung wirkte ihr Gesicht leicht verschwommen, und das Lächeln auf ihren Lippen sah leicht gekünstelt aus.
»Sie sind es«, stellte Suko fest und entspannte sich wieder.
»Ja, ich. Entschuldigung.«
»Wollten Sie mich sprechen?«
»Wenn Sie einverstanden sind.«
»Gut. Wohin gehen wir.«
»In mein Reich, in die Küche«, schlug Lisa vor.
»Gern.«
Suko wusste nicht, wo die Küche lag. Er musste sich von Lisa führen lassen, die um eine Ecke bog und einen kleinen Flur erreichte, der an einer Tür endete.
Sie drückte sie auf, und Suko konnte in einen quadratischen Raum hineingehen, dessen Wände ebenso gekachelt waren wie der Boden. Es gab alles, was man zum Kochen benötigte. Abgesehen von den modernsten Elektrogeräten waren genügend Töpfe, Pfannen und auch Geschirr vorhanden, um eine halbe Kompanie zu verpflegen.
»Das ist mein Reich, Suko. Möchten Sie einen
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