Die Vampir-Dschunke
Tee?«
»Danke. Im Moment nicht.«
»Und Whisky trinken Sie wohl nicht?«
»Eher selten.«
Beide setzten sich auf zwei Stühle, die sich gegenüber standen. Zwischen ihnen befand sich die breite Platte eines Tischs, auf dem eine mit Obst gefüllte Schale ihren Platz gefunden hatte.
Lisa zählte ungefähr fünfzig Jahre. Ihre Haut war noch glatt. Die großen Augen besaßen keine Falte, das Chinesische fiel nur an ihren Wangenknochen auf.
Suko hatte längst bemerkt, dass die Frau etwas bedrückte. »Wollten Sie mir was sagen, Lisa?«
»Ja.«
»Das dachte ich mir.«
»Ich habe zu Ihnen Vertrauen, Suko. Außerdem weiß ich genau, wer Sie sind.«
»Oh, das wundert mich.«
»Ja, man hat öfter über Sie gesprochen, und ich habe gute Ohren.«
»Das glaube ich. Sie arbeiten, wie ich hörte, schon sehr lange für Hainan.«
»Das kann man sagen. Ich kenne ihn in- und auswendig. Seine guten und seine schlechten Seiten. Aber so wie am heutigen Abend habe ich ihn noch nie erlebt.«
»Wieso?«
»Er hat Angst!«
Suko schwieg.
»Bitte, das habe ich ihm angesehen. Ich weiß, dass er sich fürchtet. Und ich weiß auch, dass er in seinem Leben nicht alles richtig gemacht hat. Aber ich möchte nicht, dass er getötet wird, auch wenn er noch so schlimme Dinge verbrochen hat, von denen ich nichts weiß. Sie verstehen doch, was ich damit andeuten will?«
»Ich denke schon.«
Lisa lehnte sich zurück. »Dabei hätte er wissen müssen, was auf ihn zukommt. Aber er war so arrogant und hat alle Warnungen in den Wind geschlagen.«
»Warnungen?«
»Ja. Hat er mit Ihnen nicht darüber gesprochen?«
»Nein.«
Lisa schüttelte den Kopf und faltete die Hände.
»Als er aus Shanghai zurückkehrte und dort alles klar gemacht und unterschrieben hatte, erreichten ihn die Warnungen. Ich habe zufällig einen der Briefe gefunden. Es waren Mönche, die ihm schrieben. Sie kannten die alte Geschichte. Sie wussten, dass in einer bestimmten Gegend das Grauen tief unter der Erde verborgen lag. Sie haben auch den Namen des Dämons Gaufur erwähnt und Hainan inständig gebeten, von diesem Projekt zurückzutreten.« Lisa schüttelte den Kopf. »Er hat alle Warnungen in den Wind geschlagen. Jetzt muss er die Folgen tragen.«
Suko sah, dass die Frau genug erklärt hatte und wollte jetzt einige Fragen stellen.
»Wenn er von dem Geschäft zurückgetreten wäre, wäre es dann nicht zum Bau des Damms gekommen?«
Lisa hob die Schultern.
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Suko. »Hainen war nicht der einzige Finanzier.«
»Das mag wohl sein. Aber er ist einer derjenigen gewesen, die viel Geld investiert haben. Fragen Sie mich bitte nicht, woher er diese Summe hatte, er besaß sie jedenfalls. Wahrscheinlich hätte er eine Überprüfung des Objekts erreichen können. Die Mönche haben in ihren Briefen sogar entsprechende Vorschläge gemacht, auf die Hainan nicht einging. Er hat alles für lächerlich gehalten. So sieht es aus.«
Suko nickte einige Male bedächtig. »Das ist mir allerdings neu. Weiß denn Hainan über Ihr Wissen Bescheid, Lisa?«
»Nein, nein. Ich habe nicht mit ihm darüber gesprochen. Bloß nicht. Er hätte mich augenblicklich entlassen. Das können Sie mir glauben.«
»Und jetzt macht er weiter.«
»Ja. Und er muss die Konsequenzen tragen. Halten Sie mich bitte nicht für eine Lauscherin, aber ich habe trotzdem genug mitbekommen. Ich weiß, dass eine Gefahr auf unser Haus zukommt. Seine Gespielinnen hat er weggeschickt. Er wollte auch, dass ich gehe, aber ich werde bleiben. Ich bin bereits zu lange hier.«
»Dann würde ich Ihnen raten, Lisa, sich versteckt oder im Hintergrund zu halten.«
»Keine Sorge, das werde ich. Aber ich möchte Sie bitten, immer daran zu denken, dass auch Hainan ein Mensch ist. Trotz seiner zahlreichen Fehler.«
»Keine Sorge, daran denke ich.« Suko schenkte ihr ein warmherziges Lächeln. »Aber jetzt möchte ich mich im Haus umschauen und dabei alles sehen.«
»Sie rechnen mit einem Überfall?«
»Das ist richtig.«
Lisa bekam eine Gänsehaut. Mit der nächsten Frage bewies sie, dass sie mitdenken konnte.«
»Könnte der Glasanbau mit dem Pool vielleicht eine Schwachstelle sein?«
»Das möchte ich mir gern anschauen.«
»Gut, dann zeige ich Ihnen den Weg.«
»Nein, nicht nötig. Ich finde ihn allein. Bleiben Sie bitte hier, denn ich denke, dass Sie hier am besten aufgehoben sind.«
Sie hob beide Hände an. »Wenn Sie mich brauchen, Suko, dann bin ich trotzdem
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