Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig

Titel: Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lewis Harris
Vom Netzwerk:
nun auch aus ihren Augen. Sie sah von der Seite auf, bemerkte meine verblüffte Miene und legte den Finger nacheinander auf die beiden größeren Kreise. »Der steht für das Natürliche und der für das Unnatürliche«, erklärte sie. »Und dazwischen befindet sich... der Rote Zirkel.« Sie hob die Hand vom Buch und berührte sanft mein Gesicht. Der süße Duft von Keksen stieg mir in die Nase.

    »Das sind ja Sie«, sagte ich verblüfft. »Der Keksduft sind Sie.«
    »Und du auch. Ist das nicht herrlich?«
    Ihre Augen leuchteten vor Glück, doch als sie weiter in mein Gesicht blickte, wich die Freude aus ihrer Miene und verwandelte sich in Besorgnis. »Du bist so jung«, flüsterte sie beinahe zu sich selbst.
    Diese Worte machten mich verlegen. Ich sah wieder ins Buch und schlug die nächste Seite auf. Dort standen drei Worte in fetten, handschriftlichen Buchstaben: Was wir wissen. Es folgte ein Inhaltsverzeichnis, das ich überflog: Werwölfe. Kraken. Untote und Wiederbelebte. Hexerei (Alte Welt). Hexerei (Voodoo und Südamerika). Wassergeister. Der Stamm Qwerril. Blutsteife und Besessenheit . Ich sah von dem Verzeichnis auf und in den gelehrten Blick der alten Frau.
    »Wir sollten dort beginnen, wo es uns am meisten nutzt«, sagte sie, »also bei Kapitel Dreizehn.«
    Ich fuhr mit dem Finger das Inhaltsverzeichnis entlang zum dreizehnten Kapitel, das Vampire und die Vergiftung des Blutes betitelt war. Bei diesen Worten wurde mir die Brust seltsam eng, und ich spürte einen Druck auf dem Herzen.
    Interessiert dich dieses Thema, Svetlana?
    Das Flüstern drang direkt in meinen Kopf, erschreckte mich aber nicht. Die alte Frau lächelte verschmitzt, goss sich noch einen Tee ein und zeigte auf
meine halb leere Tasse. Ich schüttelte den Kopf und betrachtete sie sorgsam. Sie stellte die Kanne beiseite.
    Du wirkt nicht überrascht . Diesen Gedanken sandte sie mir, während sie einen Schluck Tee nahm. Das ist sehr gut. Ihre Worte schwebten wie Rauchschleier durch meinen Kopf, breiteten sich hinter meinen Augen aus und kitzelten den Schädel von innen.
    Sie ist auch eine, dachte ich. Genau wie ich, genau wie Miss Larch.
    Auf der anderen Seite des Tisches zauderte die alte Frau plötzlich, und ihr Gesicht wurde bleich. Die Porzellantasse glitt ihr aus den Händen und zerbrach auf den Steinplatten. Eine Welle der Panik, die nicht allein aus mir kam, flutete durch meinen Kopf. Mrs Bones streckte den Arm aus, umklammerte meine Hand und drückte sie mit ihren knochigen Fingern.
    Ich zuckte zusammen. »Autsch.«
    Wer?, fragte, nein dachte sie laut, und ihre Stimme wirkte in meinem Kopf wie eine Druckwelle, erfüllte mein Denken vollständig und presste so wuchtig gegen meinen Schädel wie heiße Luft, die sich in einem Ballon ausbreitet. Ich verzog das Gesicht und entwand mich ihrem Griff.
    »Wer?« Diesmal kam ihr die Frage krächzend über die zitternden Lippen. Sie umrundete den Tisch und legte mir ihre Spinnenhände auf die Schultern. Sie
war kaum so groß wie ich. Ihre schiefergrauen Augen erforschten mein Gesicht. »Du hast sie gesehen?«
    »Wen?«
    »Sie! Sie hat - hat sie deine Gedanken geteilt?«
    »Miss Larch?«
    Lenora Bones flüsterte den Namen und ließ ihn auf sich wirken: »Miss Larch.« Sie griff nach meinem Gesicht und legte ihre kühlen Handflächen an meine Wangen. Der warme Geruch frisch gebackener Kekse betäubte mich beinahe. Miss Larch, dachte sie, diesmal allerdings nicht in meinem Kopf, sondern in dem ihren, wo ich den Gedanken entdeckte. Langsam ging sie zu ihrem Stuhl zurück, und das zerbrochene Porzellan knackte unter den Sohlen ihrer schwarzen Stiefel, aber sie achtete nicht darauf. Die Lebhaftigkeit, die zuvor in ihrem Gesicht gestanden hatte, war völlig verschwunden, und an ihre Stelle waren Sorge und Schrecken getreten. »Du kennst sie?«
    Sie ist eine meiner Lehrerinnen, dachte ich und ließ die Worte im Kopf der alten Frau Gestalt annehmen.
    Lenora Bones taxierte mich, hieß gut, was sie sah, und lächelte ein freudloses Lächeln. Und du hast mit ihr gesprochen? So wie wir es gerade tun?
    Ja.
    Sie grübelte, starrte unter den schmiedeeisernen Tisch auf die Spitzen der polierten Stiefel, die unter
ihrem roten Kleid hervorsahen, und massierte mit kreisenden Bewegungen der knochigen Fingerkuppen ihre faltige Stirn, als wollte sie einen Gedanken beschwören. Schließlich zog sie eine Braue hoch und fragte: »Hat sie dich berührt?«
    »Mich berührt?«
    »Hat sie dich angepackt? Dich wegschleppen

Weitere Kostenlose Bücher