Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig
öde, aber es gibt Autoskooter«, sagte Fumio.
»Ich weiß nicht. Vielleicht.« Ich senkte das Fernglas. Der Streifenwagen fuhr ohne Blaulicht los, bog an der Ecke ab und verschwand. Ob die Polizisten zum Stadtpark fuhren, um sich den Suchtrupps anzuschließen?
Nachdem die beiden Jungs gegangen waren, rief Mom mich in die Küche und gab mir eine Schale Erdbeersoße und ein großes Stück Biskuittorte für meinen Besuch nebenan mit.
»Die beiden scheinen sehr nett zu sein«, sagte sie.
»Die sind in Ordnung.«
Sie drückte den Deckel auf die Tupperdose und
stellte sie mit der Torte und dem Teller, auf dem Mrs Bones uns ihre (längst vernaschten) Zuckerplätzchen gebracht hatte, in eine Einkaufstüte. »Denk daran, dich bei unserer Nachbarin für die Kekse zu bedanken.«
»Na klar - ich bin ja nicht doof.«
Wenn Mom lächelt, kräuselt sich ihr Gesicht, und in den Augenwinkeln tauchen winzige Krähenfüße auf. Nun kräuselte sich ihre Miene, als sie mich an sich zog und so fest drückte, dass ich beinahe den Kuchen fallen gelassen hätte.
»Wow«, sagte ich.
»He, mein Schatz.« Als sie sich von mir löste und mich nur noch an den Schultern hielt, war ihr Lächeln verschwunden. »Ich möchte nicht, dass du dich herumtreibst, ja? Ich will, dass du dieses Wochenende in unserem Garten bleibst und sofort nach Hause kommst, wenn du mit dem Vorlesen bei Mrs Bones fertig bist, verstanden?«
Sie dachte an Sandy Cross und ihre Freundinnen.
»Dwight und Fumio haben gefragt, ob ich zum Frühlingsfest mitkommen will«, erwiderte ich.
»Du hast doch von den drei vermissten Mädchen gehört?«
»Logisch. In der Schule wurde davon geredet. Mir geht’s gut, Mom.«
»Na, ich bin sicher, dass es den dreien auch gut
geht. Wahrscheinlich tauchen sie im Laufe des Tages wieder auf.«
»Wahrscheinlich«, echote ich, glaubte es aber nicht. Warum nahm ich an, dass ihnen etwas Schlimmes zugestoßen war? Ich hatte die ganze Woche über ein komisches Gefühl gehabt - eigentlich seit dem ersten Schultag. Es war fast, als läge etwas Gefährliches in der Luft, etwas Unausweichliches. »Sie haben sich bloß verlaufen«, fügte ich hinzu.
Bloß verlaufen.
Aber manchmal tauchen vermisste Sachen nie mehr auf.
Zehntes Kapitel
Lenora Bones öffnete die Haustür, und mich bestürmte der super-leckere Duft frisch gebackener Kekse. »Du hast ein bezauberndes Lächeln!« Die alte Lady strahlte und winkte mich herein, und ihre zierlichen Finger sogen mich über die Schwelle. »Und ganz pünktlich! Sehr schön!«
Sie machte die Tür zu, legte ihre kleinen Finger um mein Handgelenk und zog mich hinter sich her. Ihre zerbrechliche Gestalt wirkte wie verloren in dem langen roten Kleid, das über den Fußboden strich. Weiße Manschetten umgaben ihre dünnen Handgelenke, und ein gestärkter Kragen umschloss ihren schlanken Hals bis zum letzten Knopf. Silberne Locken umrahmten das schmale Gesicht. Ihre grauen Augen funkelten, und sie ließ ein porzellanweißes Lächeln blitzen. »Riechst du das? Herrlich!« Blitz.
»Ja.« Der süße Duft umhüllte mich.
»Ich auch.« Lenora Bones lachte hell und zog mich weiter. »Komm, Svetlana.«
Im Haus gab es so gut wie keine Möbel. Im Wohnzimmer stand nur ein Polsterstuhl. Es gab keine Regale, keinen Nippes, keine Bilder an den Wänden. Und vor den Fenstern hingen schwere schwarze Vorhänge.
»Ich habe Stapel unausgepackter Kisten im Arbeitszimmer, mache mir aber nicht die Mühe, sie zu öffnen. Ich weiß nicht, wie lange mein Aufenthalt in Sunny Hill dauert«, erklärte sie.
Ich folgte ihrer schmächtigen Gestalt. Das Esszimmer war völlig leer. In der Küche stand ein rechteckiger Tisch mit passenden Holzstühlen an der Wand. Ein großes, in schwarzes Leder gebundenes Buch lag auf dem Tisch.
»Aber Sie sind doch gerade erst eingezogen«, sagte ich.
Sie drehte sich zu mir um. »Ich hatte nicht vor, mich niederzulassen, aber nachdem ich dich entdeckt hatte, war mir klar, dass ich ein wenig bleiben muss. Das ist der eigentliche Grund, warum ich mich hier eingenistet habe.«
»Nachdem Sie mich entdeckt hatten?«
Sie tippte sich mit knochendürrem Finger an die Nase. »Eine zufällige Entdeckung.« Dann nahm sie mir die Tasche mit dem Keksteller und der Süßspeise meiner Mutter ab. »Erdbeeren mit Biskuittorte - ausgezeichnet«,
sagte sie, ohne auch nur einen Blick in die Tasche geworfen zu haben.
»Woher...«
»Das steht dir doch ins Gesicht geschrieben, meine Kleine!« Sie tätschelte mir mit
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