Die Vampirin - Lieber untot als todlangweilig
Handfläche biss mir in die Haut. Ich zuckte vor ihrer Berührung und dem leichten Verwesungsgeruch zurück.
»Svetlana«, flüsterte sie, »Vampire gibt es nicht.«
Ein leises Lachen sickerte in meine Gedanken; es ähnelte den leisen Tönen eines Windspiels und klang mir wie klimpernde, dünne Metallplättchen zwischen den Ohren.
Was ist das alles hier dann?, dachte ich.
Ihre Katzenaugen verengten sich zu glänzenden
grünen Schlitzen. »Eine Verbindung, Svetlana - eine besondere Veranlagung, die besondere Menschen vereint.« Sie zog einen Apfel aus ihrer Schublade und bot ihn mir an. Seine Haut glänzte, und er war so rot wie eine tiefe Wunde. »Du bist eine bemerkenswerte junge Dame, und wir werden enge Freundinnen sein, du und ich.«
Scheinbar ohne mein Zutun langte meine Hand nach dem Apfel.
Neuntes Kapitel
Am Samstagmorgen rief Mom die Treppe hoch, es sei Besuch für mich an der Tür. Es waren Fumio Chen und Dwight Foote.
»Gehen wir ins Baumhaus«, flüsterte Fumio, als meine Mutter gegangen war.
»Nenn es nicht Baumhaus«, sagte ich.
»Nenn es doch, wie du willst«, gab er zurück.
»Jetzt sei nicht blöd, Svet, und komm«, mahnte Foote.
Ich ließ Razor bellend im Haus zurück und folgte den beiden zur Eiche der Verdammnis. Foote zog sich mit dem gesunden Arm die Leiter hoch, während der gebrochene Arm in seiner Schlinge hüpfte. Er jammerte die ganze Zeit und hatte Mühe, sich durch die Öffnung im Boden zu schieben.
»Mach schon«, rief ich ungeduldig.
Fumio hatte sich bereits mein Fernglas gegriffen und spähte die Cherry Street entlang zu Sandys
Haus an der Ecke. Über seine Schulter sah ich dorthin, wo das Trampolin gestanden hatte. In der Einfahrt parkten lauter unbekannte Autos. Am Bordstein wartete ein Streifenwagen. Mehrere Männer in Anzug oder Uniform standen auf der vorderen Veranda.
Foote drängelte sich zwischen uns und begann, mit seiner Digitalkamera Fotos vom Haus zu machen.
»Hast du gestern Abend Nachrichten gesehen?«, fragte Fumio.
»Nein.« Ich schob die beiden beiseite und knöpfte ihm mein Fernglas ab.
»Die Mädchen haben sich in Luft aufgelöst«, meinte Foote. »Alle drei - wie Mr Boyd.«
»Bloß haben sie die Stadt nicht mit einer aufgemotzten Corvette und einem geheimen Geldvorrat verlassen«, sagte Fumio nachdenklich. »Ihnen ist etwas Schlimmes zugestoßen.«
Etwas Schlimmes. Diese Worte klangen wie eine Totenglocke.
Ich senkte das Fernglas und musterte Fumios regloses Gesicht. »Etwas Schlimmes?«
»In den Nachrichten war davon mit keinem Wort die Rede«, stellte Foote fest.
»Weil man nichts weiß«, sagte Fumio. »Diese Mädchen werden erst wieder auf Vermisstenplakaten auftauchen.«
Vollidioten, dachte ich. Die redeten bloß, um sich reden zu hören. »Was wollt ihr überhaupt?«
»Nichts«, sagte er.
»Das glaubst du doch selbst nicht, du Blödmann.«
»Wir sind mit dem Rad unterwegs zum Stadtpark, um suchen zu helfen, und dachten, du magst vielleicht mitkommen«, schlug Foote vor. »Es heißt, die Mädchen könnten in den Wald gegangen sein und sich dort verirrt haben.«
»Die Wahrscheinlichkeit, dass die drei Mega-Tussis in den Wald gestapft sind«, meinte Fumio, »liegt natürlich unter null.«
»Gestern Abend hieß es in den Nachrichten, dass Freiwillige für die Suche gebraucht werden. Du solltest mitkommen.« Foote nickte mit dem Riesenkopf, und seine Blaubeeraugen blinzelten.
»Geht nicht«, sagte ich. »Heute muss ich meiner Nachbarin helfen.« Ich sollte mittags zu Lenora Bones gehen und ihr vorlesen, worauf ich mich schon freute - und zwar nicht nur, weil ich dafür Geld bekommen sollte.
»Der Knochenlady, die dich ausspioniert hat?«
»Die ist in Ordnung«, antwortete ich. »Sie sucht nur jemanden, der ihr vorliest.«
Foote sagte: »Na, wir müssen los. Ich fotografiere die Suchtrupps im Park, und Fumio schreibt einen Bericht für die Schulzeitung.«
»Aber den lässt uns die Schule sicher nicht drucken«, meinte Fumio. »Die werden nichts sagen, falls die Mädels nicht wiederauftauchen. Das wird totgeschwiegen, Mann.«
»Totales Tabu«, pflichtete Foote ihm bei.
Ich beobachtete durchs Fernglas, wie ein Polizist das Haus der Familie Cross verließ und in den Streifenwagen am Straßenrand stieg.
»Die tauchen schon wieder auf«, sagte ich, obwohl mein Bauchgefühl mir etwas anderes sagte.
»Gehst du heute Abend auf den Rummel?«, fragte Foote und meinte damit das Frühlingsfest neben der Schule.
»Meist ist es ziemlich
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