Die Verbannung
erwähnt. Wochenlang hatte sie nichts anderes getan, als jedes verfügbare Buch über das Schottland des 18. Jahrhunderts zu verschlingen, sogar solche, die von einer Zeit handelten, die Dylan selbst bei einer hoch gegriffenen Lebenserwartung nicht mehr erlebt haben konnte.
Sie nahm vor dem Computer Platz und rief das Fernleiheverzeichnis auf, in dem sämtliche in den Leihbüchereien des Staates vorhandenen Bücher aufgeführt wurden. Auch wenn es noch so mühsam war, sie wollte so viel wie möglich über diesen Abschnitt der Geschichte herausfinden. Von den großem Büchereien in Los Angeles und New York hatte sie einige Bücher mit Namenslisten erhalten, die sie jetzt sorgfältig durchging und dabei nach einer falsch geschriebenen Version von Dylans Namen forschte. Aber sie konnte nichts entdecken. Mathesons tauchten hin und wieder einmal auf; anscheinend hatten sich die einzelnen Zweige dieses Clans entzweit, als sie sich für oder gegen König James VIII. entscheiden mussten. Im Zusammenhang mit der Schlacht bei Culloden wurden ein John Matheson, ein James Edward Matheson, ein Ciaran Robert Matheson und ein Alasdair Matheson erwähnt.
Halt. Ciaran Robert Matheson ? War das nicht der Name von Dylans Sohn? Cody schloss die Augen und rief sich das Telefongespräch ins Gedächtnis zurück, dass sie mit Dylan in der Nacht geführt hatte, in der er ihr von seinen zwei Jahren im 18. Jahrhundert erzählt hatte. Das Kind war im Januar zur Welt gekommen, im Jahr des ersten Aufstandes in diesem Jahrhundert. Die Mutter hatte Caitrionagh, der Sohn Ciaran geheißen. Ja, da war sie sich ganz sicher. Der Name von Dylans Sohn lautete Ciaran Robert Matheson. Er musste zum Zeitpunkt der Schlacht dreißig Jahre alt gewesen sein. Und Dylans zweiter Vorname lautete ja ebenfalls Robert.
Rasch überflog sie die kurze Textstelle. »Die ausgehungerte jakobitische Armee verfügte über keinerlei Vorräte mehr, und am Morgen der Schlacht fehlten viele Soldaten, weil sie auf Nahrungssuche gegangen waren. Ciaran Robert Matheson führte einen Trupp Männer an, die diese verstreuten Soldaten wieder zusammentreiben sollten.« Das war alles. Ob Ciaran sich rechtzeitig zu Beginn des Kampfes auf dem Schlachtfeld eingefunden, ob er die Schlacht überlebt hatte oder ob er gefallen war, ging aus den knappen Sätzen nicht hervor.
Cody stöhnte und griff nach einem weiteren Buch, das den letzten Jakobitenaufstand behandelte, doch obwohl sie den Rest des Nachmittags und den größten Teil des Abends damit verbrachte, nach weiteren Hinweisen auf Ciarans Schicksal zu suchen, konnte sie nichts Neues herausfinden. Schließlich gab sie auf und machte sich auf dem Heimweg. Es war schon fast dunkel.
Raymond erwartete sie in gereizter Stimmung, als sie nach Hause kam. »Ich bin schon seit einer Stunde hier«, stellte er anklagend fest. Er lümmelte sich in dem grünen Ledersessel vor dem Fernseher und blickte nicht auf, als sie quer durch das Wohnzimmer in die Küche ging. Offensichtlich wollte er ihr Schuldgefühle einimpfen, denn er fuhr in demselben vorwurfsvollen Ton fort: »Du verbringst neuerdings mehr Zeit in der Bücherei als hier bei mir, wo du hingehörst. Weißt du, als ich dich geheiratet habe, hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal mit einem Toten um die Aufmerksamkeit meiner Frau wetteifern müsste.«
Cody hängte ihre Schlüssel an den Messinghaken hinter der Küchentür, stellte ihre Tasche auf den Stuhl neben dem Toaster, legte den Mantel über die Stuhllehne und rollte die Ärmel hoch. Am liebsten hätte sie Raymond gesagt, er solle sich sein verdammtes Abendessen gefälligst selbst zubereiten, aber sie schluckte die Worte hinunter. Er wollte wegen ihrer Büchereibesuche Streit anfangen, und das durfte sie nicht zulassen. Also würde sie den Mund halten, ihm sein Essen machen und dabei hoffen, dass sie nicht die Beherrschung verlor. Sie überhörte weitere bissige Bemerkungen, während sie ein Paket Hähnchenteile aus dem Kühlschrank und eine gläserne Auflaufform aus dem Schrank unter dem Herd holte.
Sich mit ihm auf eine Diskussion einzulassen wäre sinnlos, und Dylans Name zu erwähnen käme Selbstmord gleich. Dylan hatte nie eine Gefahr für ihre Ehe dargestellt -er hatte überhaupt niemanden heiraten wollen und sie, Cody, schon gar nicht -, aber sie hatte es aufgegeben, Ray davon überzeugen zu wollen. Sie und Dylan waren zusammen aufgewachsen und ihr ganzes Leben lang eng befreundet gewesen, aber sie konnte Ray nicht
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