Die Verbannung
weiß es wirklich nicht. Er war eine schillernde Persönlichkeit. Dad Matheson meinte, er sei ein echter Volksheld gewesen, aber frag mich nicht, warum.« Cody kannte den Grund. Dylan hatte zur Bande des noch viel berühmteren und allseits verehrten Rob Roy gehört. »Mir gefiel der Name einfach, weil ich damals ein großer Bob-Dylan-Fan war. Wenn Dad Matheson diese alte Geschichte hervorkramte, habe ich gar nicht richtig hingehört.«
Cody verbarg ihre Enttäuschung, griff nach dem sprudelnden Wasserkessel und goss den Tee auf.
Doch plötzlich gab Dylans Mutter einen überraschten Laut von sich, und ein träumerischer Ausdruck trat in ihre Augen. »Ehe er abreiste, sagte er ...«, sie schluckte hart, als sie an den letzten Besuch ihres Sohnes dachte, »... bat er mich, diesen Black Dylan in den Geschichtsbüchern nachzuschlagen. Ich sollte auch auf die gälische Schreibweise des Namens achten ... Was sagte er doch gleich? Ich weiß es nicht mehr genau. Dylan ... Doo? Kann das sein?«
Cody kannte nur ein paar gälische Worte, aber sie wusste, dass diese Sprache über eine große Anzahl von stummen Mitlauten verfügte. Ein Wort, dass wie >doo< ausgesprochen wurde, konnte sonst wie geschrieben werden. »Der gälische Ausdruck für Black Dylan? Das gälische Wort für schwarz klingt so ähnlich wie doo. Ich könnte mal in einem Wörterbuch nachsehen ...«
Dylans Mutter biss sich auf die Lippe und starrte blicklos in ihren Becher. Cody nippte an ihrem Tee und wartete geduldig ab, sah dann aber zu ihrem Schrecken, dass Mrs. Mathesons Lippen zu zittern begannen und ihre Nasenspitze rot anlief. Schließlich gestand die ältere Frau zögernd: »Er wollte, dass ich Kenneth verlasse. Das war das Letzte, was er zu mir sagte, ehe er ging.« Tränen rollten über ihre Wangen. Sie wischte sie ungeduldig weg, schnüffelte und fuhr dann fort: »Ich habe es noch nicht über mich gebracht, in sein Karatestudio zu gehen. Ich weiß, er wollte, dass ich in seine Wohnung ziehe, aber ich bringe es einfach nicht fertig. Kenneth möchte, dass ich alles an Dylans Assistenten verkaufe, aber das kommt für mich nicht infrage.«
»Kümmert sich Ronnie jetzt um den Betrieb?«
Mrs. Matheson nickte. »Er ist aus allen Wolken gefallen, als er erfuhr, dass er zehn Prozent vom Geschäft geerbt hat. Jetzt sorgt er dafür, dass der Laden läuft - wie Dylan es in seinem Testament gewünscht hat. Aber in Dylans Apartment ist noch niemand gewesen. Alle seine Sachen sind noch da. Ich ... ich könnte es nicht ertragen, dort zu wohnen.«
Codys Stimme klang weich. »Er wollte Sie in Sicherheit wissen; Ihnen einen Zufluchtsort schaffen. Er hat Sie sehr geliebt, glaube ich.«
Dylans Mutter stellte ihren Teebecher ab, schlug die Hände vor das Gesicht und begann zu schluchzen. Cody ging zu ihr hinüber und legte ihr tröstend den Arm um die Schultern. Nur zu gerne hätte sie Mrs. Matheson erzählt, was sie wusste, aber auch das wäre kein großer Trost für die arme Frau gewesen. Dylan war zwar nicht mit dreißig gestorben, aber trotzdem war er inzwischen längst tot und begraben und würde nie wieder zurückkommen.
4. KAPITEL
Die Büroräume von Ramsay, Ltd., erstreckten sich über fünf Stockwerke. Zahlreiche Angestellte arbeiteten sich mit tintenverschmierten Fingern durch riesige Aktenberge hindurch. Dylan fiel auf, dass alle gut und teuer gekleidet waren. Sie trugen der südlich der Hochlandgrenze herrschenden Mode gemäß enge Kniebundhosen und beäugten Dylan in seinem Kilt voller Verachtung. Ihre Mäntel waren aus feiner Wolle gewebt, gut geschnitten und in gedeckten Farben gehalten. Dylan gewann mehr und mehr den Eindruck, dass Ramsays Angestellte großzügig entlohnt wurden. Keiner der Männer schien über seinen Anblick sonderlich erfreut zu sein, doch sagte niemand ein Wort, während ihr Arbeitgeber seinen neuen Leibwächter herumführte. Gelegentlich nickte einer der Männer ihm knapp zu, doch Dylan war sicher, dass sie über ihn tuscheln würden, sobald er und Ramsay den Raum verlassen hatten.
Dann schlüpfte Ramsay in seinen Mantel, griff nach seinem Rapier, das an der Wand seines Büros an einem Haken hing, und bedeutete Dylan, ihm zu folgen. Sie schlugen den Weg zur High Street ein und bogen dann rechts Richtung Festimg ab. Ramsay schlenderte gemächlich durch die Gassen, grüßte Männer, die er kannte, mit einem Lächeln und einem freundlichen Nicken und blieb gelegentlich stehen, um dem einen oder anderen die Hand zu schütteln und
Weitere Kostenlose Bücher