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Die Verbannung

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cesare Pavese
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Stefano sofort, »es hat auch sein Schönes, wenn man es so hält. Komm nicht in der Nacht. So hab ich dich lieb.« Kurz darauf ging Stefano einsam im Dunkeln auf und ab und rauchte. Er dachte an den morgigen Tag und an Gianninos Scherze. Die Minuten, die er mit Elena verbracht hatte, hatten eine gedankenlose, satte Müdigkeit in ihm zurückgelassen, als stocke sein Blut, als sei alles, was sich da im Dunkeln zugetragen hatte, im Traum gediehen. Aber er ärgerte sich darüber, daß er sie um etwas gebeten, daß er mit ihr gesprochen hatte, daß er ihr, wenn auch nur verstelltermaßen, aufrichtig und zärtlich begegnet war. Er kam sich verächtlich vor und lächelte. »Ich bin eben ein ungehobelter Kerl.« Aber er mußte ihr, und mochte es noch so naiv sein, sagen, daß jedes Beisammensein mit dieser Müdigkeit, mit dieser Sattheit endete. »Damit sie sich nur nicht einbildet, sie könnte Mutterstelle an mir vertreten.«
    Er dachte an Gianninos Stimme, die ihn vor Sonnenaufgang rufen würde. Ob das mit Concia stimmte? Er stellte sich vor, daß er an Elenas Stelle Concia in seinem Zimmer gehabt hätte. Aber sein beschwichtigtes Blut brachte das nicht wieder in Wallung. »Es wäre das gleiche, selbst sie ist keine Wilde, selbst sie würde erwarten, daß ich sie wirklich liebe: und dann müßte ich mich auch noch vor Giannino in acht nehmen.« Wer konnte wissen, welches Ungestüm sich hinter Gianninos Freundlichkeit verbarg? Stammte er etwa nicht von hier? Stefano zog es vor, sich treiben zu lassen und zu wissen, daß er ihn am nächsten Tag sehen würde, daß sie miteinander sprechen und wer weiß wohin gehen würden.
    Am nächsten Tag indessen, als sie vor Sonnenaufgang am Meer entlanggingen, dachte Stefano viel an Concia und stellte sie sich wild und unzugänglich vor, geneigt, sich einmal hinzugeben und dann zu fliehen; während sie einem Mann wie Giannino – eine weiße Patronentasche und weiße Zähne im Halbdunkel – vielleicht sklavisch ergeben war wie eine Räuberbraut. Giannino sagte ihm lachend, er müsse sich dafür entschuldigen, daß er ihn am Abend zuvor gestört habe. »Weshalb?« fragte Stefano erstaunt.
    »Nicht Ihretwegen, Herr Ingenieur, aber ich weiß, daß die Frauen in solchen Fällen den Teufel anstellen und drohen, sie wollten fortgehen. Es täte mir leid, wenn ich Sie gestört hätte.«
    Vom Meer wehte eine laue Luf herüber, die die Worte auslöschte und eine unaussprechliche Süße in ihm aufbrechen ließ. Alles war undeutlich und lau, und bei dem Gedanken, daß ihn um diese Zeit seine Angstzustände zu überkommen pflegten, lächelte Stefano und sagte leise: »Sie haben mich nicht gestört.«
    Sie gingen auf der Meerseite an Concias Haus vorüber. Fahl und verschlossen stand das Haus in Erwartung des Tages da, zu dem es vielleicht als erstes am ganzen Ufer erwachen würde. Ohne stehen zu bleiben, bog Giannino mürrisch nach links ein. »Wir gehen die Landstraße entlang«, sagte er, »und steigen dann den Flußlauf hinauf. Ist Ihnen das recht?«
    Oben auf dem Deich zitterten Grashalme. Allmählich erkannte Stefano Gianninos grauen Jagdrock, den er für einen Augenblick auch im Licht der Tür gesehen hatte. Und während er hinter ihm aufwärts stieg, glaubte er auch seine derben halbhohen Stiefel zu gewahren, in die er die Hosen gesteckt hatte.
    »Ich habe wie gestern ein Jackett angezogen«, sagte er kurz darauf.
    »Es kommt nur darauf an, daß man sich nicht schmutzig macht.«
    Auch bei Anbruch der Helligkeit wanderten sie immer noch unter den Weiden des Kiesgrundes landeinwärts. Gianninos Gewehr, quer über seinem Rücken, schaukelte bei jedem Schritt hin und her. Zu ihren Häuptern drang es wie rötlicher Flammenschein durch die Wolken.
    »Eine schlechte Jahreszeit für die Jagd«, sagte Giannino, ohne sich umzudrehen. »Es ist nicht mehr Sommer und ist noch nicht Herbst. Wir werden ein paar Amseln oder Wachteln aufstöbern.«
    »Für mich ist das gleich. Ich werde Ihnen zuschauen.« Sie wanderten jetzt zwischen zwei Hügeln, wo Stefano noch nie gewesen war. Ein paar Sträucher und Bäume begannen aus der Dunkelheit hervorzutreten. Vor dem klaren Himmel zeichnete sich der kahle Gipfel eines Hügels ab. »Es ist noch Sommer«, sagte Stefano.
    »Mir wären Wind und Regen lieber. Sie brächten die Rebhühner mit sich.«
    Stefano hätte sich gerne gesetzt und zugeschaut, wie die Morgenröte aus der Stille aufstieg, wie der gleiche Himmel, die gleichen Zweige, der gleiche Abhang fahl wurde

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