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Die Verbannung

Die Verbannung

Titel: Die Verbannung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cesare Pavese
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nicht? Niemand könnte Sie daran hindern.«
    Plötzlich fühlte Stefano sich glücklich. Er fühlte sich von Elenas Körper befreit und begriff, daß er nach seinem Gutdünken handeln und sie mit einer einfachen Geste dabehalten oder abweisen konnte. Der einfache Gedanke, daß jede Frau eine Wachtel hat, erfüllte ihn mit Lustigkeit. Er klammerte sich an diesen Gedanken, um ihn sich fest einzuprägen, denn er wußte nur zu gut, daß ein Nichts genügt hätte, um diese Freude zu zerstören, die aus nichts entstanden war. Die ungewohnte Tageszeit, diese Zeit, die stillstand, der kühle Morgen, wie er ihn gewohnt war mit seinem Bad im Meer und dem Aufenthalt im Wirtshaus, der aus der Ferne nur von einer Handbewegung abzuhängen schien, schenkten ihm diese Freude. Giannino genügte, die Morgenfrühe genügte, der Gedanke an Concia genügte. Aber schon bei dem Gedanken, die Wiederholung dieses Augenblicks genüge, um sich glücklich zu fühlen – so entstehen die Laster –, löste das Wunder sich auf. Auch Concia ist eine Wachtel, auch Concia ist eine Wachtel, sagte er sich erregt und glücklich immer wieder.
    Während sie im prallen Sonnenlicht über Land heimkehrten, wußte Stefano, daß in seinem Herzen die kühle Lichtung nicht mehr von diesem törichten Einfall zu trennen war; so wie Gianninos funkelndes Scherzwort für immer eins geworden war mit Concias Körper. Er fühlte, daß er diese Menschen und dieses Land nur um dieses einen Wortes willen liebte. »Entschuldigen Sie, Catalano …«, doch ein Jagdhund, der plötzlich auf dem Weg erschien und sich auf Giannino stürtzte, unterbrach ihn. »Hallo, Pierino!« rief Giannino und hielt den Hund, ohne ihn anzuschauen, an seinem Halsband fest. Weiter vorn antwortete eine Stimme.
    Wo der Pfad in die Landstraße einmündete, die vom Berg herabkam, erwartete sie hoch aufgerichtet, mit Gewehr und Umhang, der Zöllner. Freudig sprang der Hund auf ihn zu.
    Gemeinsam machten sie sich auf den Heimweg. »Herr Ingenieur, sind Sie auch Jäger?« rief der junge Mann.
    Stefano erinnerte sich an ihn, wie er an jenem Kirchweihabend gewesen war: barhäuptig, streitsüchtig und puterrot. Jetzt war sein Blick streng wie seine Kragenspiegel.
    »Wie schön, Sie wiederzusehen«, sagte er zu ihm. Aber Pierino kniff ein Auge zu und wandte sich an Giannino.
    »Einen von euch muß ich allein gesehen haben, wann?«
    Stefano dachte an das heisere weithallende Gebrüll, das der junge Mann unter den Sternen angestimmt hatte, ehe er so in den Graben gepurzelt war, daß nicht nur eine kleine Mädchengruppe unter der Führung eines Geistlichen, sondern selbst Vincenzo und andere, die zuvor gesungen hatten, den Abhang hinunterrannten, als gelte es, hier nicht als Mitschuldige ertappt zu werden. Auch Stefano war fortgelaufen, aber in der Dunkelheit war eine plötzliche Erinnerung an seine längst entschwundene Kindheit in ihm aufgestiegen, wenn die Betrunkenen von den Bergen herabkamen und lärmend an dem Landhaus vorüberzogen. »Ich wollte Catalano gerade danach fragen, warum er nicht zu der Kirchweih gekommen ist«, sagte Stefano. »Sie haben sich ja anscheinend gut amüsiert.« »Catalano fischt im trüben«, sagte Pierino.
    Stefano sagte: »Natürlich. Wer trinkt denn schon in diesem Dorf?«
    »Dazu ist es zu heiß.«
    »Wir sind harmloser«, sagte Stefano, »wenn wir die Wahl haben, trinken wir lieber ein bißchen Wein.« Giannino schwieg betreten.
    Pierino lächelte wohlgefällig. »Von dem Wein hier bekommt man Rheumatismus. Auf mein Wort, ich hätte nicht geglaubt, daß ich so heiß einschlafen und so kalt aufwachen könnte.«
    »Ihre Schuld«, sagte Stefano. »Sie hätten sich in dem
Graben eins von den Mädchen des Pfarrers greifen
sollen.«
»Haben Sie das etwa getan?«
    »Ich? Nein … Ich habe Ihnen zugehört, als Sie be-
    haupteten, in der Maremma zu sein und die Büffel zu rufen.«
    Giannino lachte. Auch Pierino grinste und rief seinen Hund.
    »Ein trauriges Dorf«, brummte er kurz darauf vor sich hin, »wo man sich betrinken muß, um fröhlich zu sein …«
    Sobald Stefano an diesem Nachmittag allein in seinem Zimmer war, warf er sich rasch auf sein Bett; nicht mehr lediglich aus Überdruß. Seine unwichtigen Bücher auf dem Tischchen bedeuteten ihm nichts. Sein Handwerk war ihm so fern gerückt; damit würde es Zeit haben. Er dachte an den Morgen und an seine Freude zurück, von der Ihm der Geschmack eines Frauenkörpers blieb, den er in Zeiten der Traurigkeit immer wieder

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