Die Verbindung: Thriller (German Edition)
an die Pforten der Macht geführt hat, vor das Haus Downing Street Nr. 10.
Wenn man in Westminster zu der Auffassung neigt, dass Edgar Carlton der Premierminister in Wartestellung ist – die Quoten der Buchmacher für Wetten, dass er den Job übernimmt, werden mit jedem Tag niedriger, mit jeder neuen Stümperei und Fehleinschätzung des derzeitigen Amtsinhabers –, so kann man kaum sagen, dass sein um zwei Minuten jüngerer Bruder Xavier in seinem Schatten lebt.
Die politischen Klassen sind sich inzwischen einig, dass Edgar Carlton alle notwendigen Fähigkeiten für das höchste Amt hat: den Charme, den Schwung, das Verlangen, die Führung zu übernehmen. Xavier dagegen, den man genauso leicht in den Klatschspalten erwähnt findet wie in Parlamentsberichten, ruft mehr Kritiker auf den Plan. Er hat von seinem Bruder bereits den Posten des Außenministers im Schattenkabinett erhalten und wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Gelegenheit bekommen, diese Kritiker Lügen zu strafen. Man munkelt sogar, dass die Zwillinge ein geheimes Abkommen getroffen haben, wonach Edgar als PM zugunsten seines Bruders zurücktritt, sobald eine zweite Amtsperiode gesichert ist.
Die Carltons passen perfekt in die augenblickliche Stimmungslage, zum neuen Geschmack, den das Land am nüchternen Glanz findet. Ihre Geschichte ist mittlerweile gut bekannt: Sie sind die Söhne der gefeierten Verbindung zwischen dem kenianischen Model Hamisi Michuki, die in den Sechzigerjahren die Londoner Gesellschaft im Sturm eroberte, und Sir Sidney Carlton, einem unternehmungslustigen Industriemagnaten, der Anfang der Sechzigerjahre verschiedenen Regierungen als Paymaster General diente, bis seine politischen Ambitionen durch einen unglücklichen Vorfall zum Scheitern gebracht wurden, in den zwei Stripperinnen des Cowshed Clubs verwickelt waren, eines berüchtigten Treffpunkts von Gangstern und anderen zwielichtigen Erscheinungen aus der Zeit vor den Swinging Sixties.
Glücklicherweise haben die Jungen die besten Gene beider Elternteile geerbt, das blendende Aussehen ihrer Mutter und denpolitischen Sachverstand ihres Vaters. Jetzt sind sie bereit, sowohl den Trübsinn der »neuen Sparsamkeit« als auch den geisttötenden Kult des Gauners der Arbeiterklasse, des »frechen Prolls« wegzufegen, die sich beide in den letzten Jahren zur Landplage auswuchsen. In der Klassengesellschaft des 21. Jahrhunderts sind die Carltons die ultimativen »Anti-Prolls« und beziehen Stellung gegen alles, was gemein, vulgär und hässlich ist. Sie reiten auf einer populären Welle von Optimismus und Glamour und haben ganz einfach die routinemäßige Politik hinter sich gelassen. »Sie stehen dermaßen in Verbindung mit dem Zeitgeist, dass es schon beängstigend ist«, verkündet Stilguru Sally Plank, die in Chelsea lebt. »Sie umgeben sich eher mit Fußballern, Popstars und Mitgliedern des Königshauses als mit anderen Politikern. Ihnen ist klar, dass sie neunzig Prozent ihrer Aufgabe erfüllt haben, wenn sie als Prominente glaubwürdig sind; denn wenn du zur Prominenz gehörst, verzeiht dir die Öffentlichkeit, dass du Politiker bist.
Als erstes Bruderpaar, das seit der Zeit vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs möglicherweise gemeinsam Spitzenämter in der Regierung bekleidet, sind die beiden von bedingungsloser Loyalität zueinander. »Es ist fast wie eine politische Schwulenehe«, bemerkte ein Kollege, der ungenannt bleiben möchte. »Sie verstehen sich blind und halten sich dauernd gegenseitig den Rücken frei.«
Dabei müssen sie sich momentan in dieser Hinsicht kaum Sorgen machen, denn welche Vorbehalte normale Parteimitglieder auch gegen sie und ihre parteiinterne Rolle haben mögen – sie werden durch die derzeitigen Meinungsumfragen mehr als aufgewogen. Nach vielen Jahren in der Wüste lockt wieder mal die Macht. Glücklich oder nicht, Edgar und Xavier Carlton sind zur rechten Zeit am rechten Ort. Sie sehen jung und modern aus und haben einen guten Draht zur Öffentlichkeit.
»Sie werden gewinnen, so viel steht fest«, sagt Demoskop Martin Max von pressyourbutton.co.uk, dem führenden Meinungsforschungsinstitut des Vereinigten Königreichs, »die Frage lautet nur, mit welchem Abstand. Die Carltons könnten mit der größten Mehrheit der neueren Geschichte dastehen und die 232-Sitze-Mehrheit der Regierung Spencer zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Schatten stellen.«
Joe Szyszkowski tippte ihn auf den Arm. »Schau mal …«
Carlyle blickte gerade
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