Die verborgene Grotte
schaufelte sich Makkaroni auf den Teller.
Es war kaum auszuhalten, so gerne hätte er mehr erzählt.
»Na prima«, sagte Mama und griff nach dem Ketchup. »Hast du an die Milch gedacht, die du auf dem Heimweg besorgen solltest?«
Nein, hatte er nicht. Karl starrte auf seinen Teller, aber Mamas strengen Blick über den Tisch spürte er trotzdem.
»Entschuldige«, murmelte er. »Ich hab’s vergessen.«
Seine Mutter runzelte die Augenbrauen und Karl ärgerte sich über sich selbst. Immer musste irgendetwas schiefgehen.
Mama und Großvater bemerkten nichts davon, dass Karl nach der Schule zur Fabrikantenvilla ging. Sie glaubten, dass er sich irgendwo mit Freunden traf. Mit Sara allerdings wurde es kniffliger. Schon bald gingen ihm die Ausreden aus, wie zum Beispiel die, er müsse für seine Mutter Bücher in der Bibliothek abgeben oder für die Mathearbeit büffeln. Dass Sara ihm Letzteres überhaupt glaubte, bezweifelte er ohnehin. Und Karl hasste es, andere zu belügen, ganz besonders Sara.
Als Miriam ihm eines Nachmittags sagte, dass sie am darauffolgenden Tag nicht da sein würde, traf er deshalb eine Entscheidung. Er musste Sara das Haus und all die verrückten Gegenstände ganz einfach zeigen. Zusammen konnten sie die berüchtigte Kammer im Keller untersuchen und Miriam würde nie erfahren, dass Sara da gewesen war.
»Ich kann es nicht fassen, dass du mich angelogen hast!«
»Aber was hätte ich denn tun sollen? Ich durftedoch nichts sagen. Und außerdem habe ich es dir doch erzählt! Wir müssen uns die geheime Kammer anschauen, die aus der Spukgeschichte. Die, die Pilkins verschluckt hat. Alleine habe ich mich nicht getraut, sie zu öffnen.«
Saras Zorn löste sich in Neugier auf und ihre Augen funkelten.
»Vielleicht sind wir die Ersten, die nach fünfzig Jahren einen Blick hineinwerfen. Und was ist mit dem elektrischen Stuhl? Hast du wirklich draufgesessen? Das ist ja ganz unglaublich. Der stand einfach so rum?«
Karl nickte.
»Ja, aber die richtig kranken Sachen, Folterwerkzeuge und so was, die sind inzwischen weggeräumt worden.«
Teile der Fabrikantenvilla wirkten mittlerweile geradezu heimelig und einladend. Mit Unterstützung ihrer Umzugshelfer, neuer Möbel, einer Reinigungsfirma und ein paar flinker Maler hatte Miriam Matin das Erdgeschoss bewohnbar gemacht. Für den Rest der Behaglichkeit war die in einem fort schnurrende Katze verantwortlich. Sie hatte das Haus kaum mehr verlassen, seit Karl sie im Keller gefunden hatte. Er hatte sie taufen dürfen und ihr sehr zu Miriams Freudeden Namen »Assistent« gegeben. Für eine Illusionistin war es schließlich überaus passend, einen Assistenten um sich zu haben.
Trotzdem war irgendetwas an dem Haus seltsam geblieben. Eine Stimmung. Ein Gefühl, dass … dass es lebte, dachte Karl. Es atmete. Ständig entdeckte er neue Nischen, die er vorher noch nie bemerkt hatte. Legte er eine Sache ab, konnte sie plötzlich verschwunden sein, um dann an ganz anderer Stelle wieder aufzutauchen.
Aus irgendeinem Grund hatte Miriam Pilkins’ Porträt in der Halle hängen lassen. Sie schien das
Bild amüsant zu finden. Karl war es einfach nur unheimlich.
Immerhin waren die alten Möbel und Laken fort. Das ganze Haus war ordentlich durchgelüftet und alle Fenster waren geputzt. Das Bad duftete nach Lavendel und Jasmin und die Regale darin waren bis oben hin mit Schminke, Cremes gegen Hautalterung und Gesichtsmasken vollgestellt.
»Ihr Aussehen scheint ihr ja ganz schön wichtig zu sein«, kommentierte Sara ein Zimmer, das mit unterschiedlichen Trainingsgeräten zum Fitnessraum umfunktioniert worden war.
»Ich weiß«, sagte Karl. »Aber jetzt komm, wirwollten uns doch den Geheimraum im Keller anschauen.«
Doch dazu kam es nicht mehr, denn im selben Augenblick öffnete sich die Haustür und Miriam Matin trat in die Halle. Sie starrte Karl an – und Sara. Und Karl wäre am liebsten im Erdboden versunken.
K apitel 7
»Wer ist das?«, fragte Miriam Matin kalt. »Und was macht sie hier?«
»Sara. Sie ist eine Freundin«, sagte Karl leise. »Ich wollte ihr die Masken zeigen. Und den elektrischen Stuhl.«
»Und den Geheimraum im Keller«, fiel Sara ihm ins Wort.
Mit einem schiefen Lächeln wandte Miriam sich an Sara.
»Den Geheimraum aus der Spukgeschichte? Die Kammer, die Menschen frisst?«
Ihre Stimme klang amüsiert. Offenbar kannte sie die Geschichte und fand es lustig, dass Karl und Sara daran glaubten. Sara nickte und wurde
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