Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
jedem Jahrhundert und die Quellen, wo man nach Hinweisen suchte, wurden immer dürftiger. Dazu gehörte auch der Vortrag des Professors Serebrjanz. Wieder Fehlanzeige.
Jana warf dem heraneilenden Parkplatzwärter ein paar Münzen zu, schwang sich in ihren 8er Lada, kurbelte das Fenster herab, um ein wenig frische Abendluft in den aufgeheizten Innenraum zu lassen, und sah auf die Uhr. Sie war viel zu spät dran. In fünfzehn Minuten sollte sie am Treffpunkt sein, doch bis zum Stadtbezirk Sokol würde sie mindestens zwanzig Minuten brauchen, Staus nicht mit eingerechnet … Die junge Frau drehte den Zündschlüssel um. Der Motor orgelte widerwillig, zischte und puffte ein wenig und erstarb. Auch ein zweiter Versuch, ihn zum Laufen zu bringen, scheiterte kläglich.
Jana wurde allmählich böse. Die Welt schien sich gegen sie verschworen zu haben: Ihre Suche war prinzipiell sinnlos, der Vortrag ein Reinfall und ihr Auto eine alte Schrottkiste. Als junge Söldnerin hatte man es nicht leicht in der Verborgenen Stadt.
Jana nahm ihr Schminketui aus der Handtasche, drehte den Rückspiegel zu sich und begann ihr Make-up aufzufrischen.
Bis zum Beginn des Treffens blieben noch elf Minuten.
Nachdem sie die Lippen nachgezogen hatte, fuhr sie mit der Puderquaste noch kurz über die Wangen, verstaute das Schminketui wieder in der Handtasche, bog den Spiegel zurück und drehte abermals den Zündschlüssel um. Der Motor sprang an und der 8er Lada preschte mit quietschenden Reifen in Richtung Lubjanka davon.
Bis zum Beginn des Treffens blieben noch neun Minuten.
Restaurant Maxima Pizza
Moskau, Leningradski-Prospekt
Mittwoch, 21. Juli, 21.43 Uhr
»Ich habe den Eindruck, sie hält uns zum Narren«, nörgelte Lebed mit einem Blick auf die Uhr. »Sie sollte seit zehn Minuten hier sein.«
»Sie ist eine Frau, und Frauen kommen aus Prinzip zu spät«, entgegnete Cortes gelassen und trank einen kleinen Schluck Wein. »Entspann dich.«
»Die Rasende Berta ist auch eine Frau«, widersprach Lebed, »und war sechs Minuten zu früh da.«
»Deshalb heißt sie ja auch Rasende Berta«, konterte Cortes augenzwinkernd. »Jana dagegen ist eine ganz normale Frau. Wir warten.«
Lebed seufzte genervt und schenkte sich Orangensaft nach. Er trank keinen Alkohol.
»Sie scheint dir wohl jetzt schon zu gefallen, was?«, spöttelte er.
»Nach den Empfehlungen zu schließen ist sie ziemlich gut ausgebildet. Besser als Berta.«
»Dafür hat die Rasende Berta schon zweiundvierzig Aufträge erledigt.«
»Jana ist jung und erfolgshungrig. Ich bin sicher, dass wir ihre mangelnde Erfahrung kompensieren können.«
»Meinetwegen«, kapitulierte Lebed. »Schauen wir uns das Wunderding mal an.«
Der Treffpunkt war nicht zufällig gewählt und ließ kaum einen Zweifel daran, wer hinter dem Auftrag steckte.
Das kleine italienische Restaurant Maxima Pizza befand sich kaum hundert Schritte entfernt von der Metro-Station Sokol, mitten im Sektor des Dunklen Hofs. Jana wusste, dass die Nawen für ihre Operationen stets Söldner anwarben, doch bislang hatte sie noch nicht die Ehre gehabt, für sie zu arbeiten. Erst jetzt war man auf sie aufmerksam geworden.
Die junge Frau stieg aus ihrem Auto und warf einen flüchtigen Blick auf das massive Gebäude ganz in der Nähe, die Zitadelle, das Hauptquartier des Herrscherhauses
Naw. Dann atmete sie einmal tief durch und betrat entschlossen das Restaurant.
»Guten Abend. Sie speisen allein?«, fragte ein mit grüner Kellnerweste und schwarzer Hose bekleideter junger Mann mit einem geschäftsmäßigen Lächeln. »Ich kann Ihnen einen Tisch am Fenster anbieten.«
»Ich werde erwartet. Von zwei Freunden.«
»Sie sind bereits hier«, nickte der junge Mann. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«
Cortes und Lebed saßen an einem Tisch im hintersten Winkel des schummrig beleuchteten Gastraums.
»Möchten Sie etwas bestellen?«
»Noch nicht.« Die junge Frau nahm auf dem Stuhl Platz, den ihr der Kellner aufmerksam zurechtrückte. »Wir müssen zuerst etwas besprechen.«
Der junge Mann entfernte sich, und Jana musterte ihre Gesprächspartner.
»Guten Abend«, sagte sie.
»Wenn wir uns einig werden, musst du in Zukunft etwas pünktlicher sein«, mahnte Cortes.
»Wir sind uns aber noch nicht einig geworden«, erwiderte die junge Frau selbstbewusst und strich sich lässig eine Strähne aus dem Gesicht.
Ihr Gegenüber lächelte, und Jana gratulierte sich dazu, die richtige Taktik gewählt zu
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