Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
Schultern freiließ und sich verboten eng um ihre …
Artjom schielte verstohlen zu Lusja hinüber.
»Wie bitte?«, fragte Serebrjanz.
»Es gibt eine Theorie, wonach es sich bei der Bibliothek Iwan des Schrecklichen um nichts anderes als um die Überreste der Reichsbibliothek der Assuren handelt. «
»Um diese Frage beantworten zu können, müsste man diese Bibliothek erst einmal finden«, entgegnete der Professor. »Selbstverständlich befasse ich mich auch damit, doch das Hauptaugenmerk meiner Forschungsarbeit konzentriert sich auf einen anderen Bereich.«
»Das ist wirklich sehr schade«, bedauerte die Schwarzhaarige enttäuscht.
»Aber wo versteckt sich denn diese Teufelsbrut?«, fragte die alte Jungfer, die es offenbar kaum erwarten konnte, den ersten Scheiterhaufen anzuzünden. »Wenn
unser Sieg nicht endgültig war, dann bedeutet das doch, dass dieses nichtmenschliche Gesindel noch immer unter uns ist!«
Verschwundene Bibliotheken, Inquisitoren, Teufelsbrut – für Artjom war das schwer verdauliche Kost. Außerdem fand er alte Tanten mit der Mentalität von NKWD-Schergen nur schwer erträglich.
»Selbstverständlich befinden sie sich unter uns«, bestätigte Serebrjanz. »Auf der Grundlage der Erkenntnisse meiner Forschungsarbeit bin ich felsenfest davon überzeugt, dass die Verborgene Stadt existiert und dass sie Nachfahren aller Völker beherbergt, die jemals die Erde beherrschten.«
»Und warum verteilen sich diese Nachfahren nicht auf dem ganzen Planeten?«, fragte die alte Jungfer, die es nun ganz genau wissen wollte.
»Auf sich allein gestellt sind sie äußerst verwundbar. Indem sie sich in der Verborgenen Stadt zusammenschlossen, haben sie ihre Chancen zu überleben sicher vergrößert.«
»Und wo befindet sich diese Stadt?«
»Oder wenigstens ihre Ruinen«, ergänzte Lusja.
»Wieso Ruinen?«, entgegnete der Professor mit einem triumphierenden Grinsen. »Wir wissen, wo die Verborgene Stadt sich befindet.«
»Und wo?«
»Auf dem Territorium des heutigen Moskau!«
Das Publikum schwieg wie vom Donner gerührt. Alle Blicke richteten sich auf Serebrjanz. Es bedurfte schon einer gewissen Courage zu behaupten, dass sich eine
muntere Schar mächtiger, nichtmenschlicher Wesen mitten in der russischen Hauptstadt herumtrieb.
Artjom nutzte die entstandene Pause, um zwei Dinge zu tun. Er gähnte gekünstelt und sah sich noch einmal nach der bezaubernden Schwarzhaarigen um. Doch zu seinem größten Bedauern musste er feststellen, dass diese sich bereits zum Ausgang bewegte. Die für die übrigen Zuhörer sensationelle, ja unerhörte Behauptung des Professors hatte die junge Frau offenbar nicht im Geringsten beeindruckt.
Jana klappte ihr Notizbuch zu. Dieser Serebrjanz wusste nichts. Sie stand auf und begab sich möglichst leise zum Ausgang. Dabei entging ihr nicht, dass der schmachtende Blick des gut aussehenden jungen Mannes, der das rothaarige Gerippe in der dritten Reihe begleitete, auf ihr lastete. Sie hatte sich längst daran gewöhnt, dass ihr die Männer hinterherschauten, doch sie war immer noch der Meinung, solche Art von Aufmerksamkeit müsse honoriert werden. Deshalb wandte sie sich, ehe sie den Raum verließ, noch einmal um und schenkte dem Unbekannten ein hauchfeines Lächeln, das dieser dankbar erwiderte.
Janas Gesicht verdüsterte sich allerdings, als sie in den Gang hinaustrat. Sie hatte nur Zeit verloren, nichts Neues erfahren und überhaupt allen Grund, unzufrieden mit sich zu sein. Anstatt realistische Aufträge anzunehmen und sich mit dem Spatz in der Hand zufriedenzugeben, machte sie wieder einmal Jagd nach der Taube auf dem Dach. Allerdings nach einer ziemlich fetten Taube.
Die Bibliothek der Assuren – oder, wie man sie auch nannte, die Bibliothek Iwan des Schrecklichen – war für die Bewohner der Verborgenen Stadt von unschätzbarem Wert. Doch bislang waren alle Bemühungen, sie aufzuspüren, ohne Erfolg geblieben. Der von den Herrscherhäusern ausgelobte Finderlohn war so astronomisch hoch, dass selbst chronisch arbeitsscheue Humos ihr Phlegma überwanden und sich auf die Suche machten. Im Verlauf der Jahrhunderte hatte man jeden Winkel der Stadt auf den Kopf gestellt, jedes halbwegs verdächtige Dokument auf Hinweise geprüft, den gesamten Untergrund durchkämmt und Zeugen befragt, doch man war nicht einmal auf eine Spur des verschwundenen Schatzes, geschweige denn auf die Assuren selbst gestoßen. Die Hoffnung, die Bibliothek doch noch zu finden, schwand mit
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