Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
Fakten.«
»Bis jetzt, ja«, gab das Mädchen zu. »Warum hältst du an?«
»Ich kaufe etwas zu trinken.« Artjom parkte seinen Golf am Straßenrand bei einem kleinen Laden. »Möchtest du auch etwas?«
»Ein Eis. Zitrone, wenn’s geht.«
»Vielleicht eine Pizza zum Abendessen?«
»Ich habe schon was zu Hause für dich«, seufzte Lusja und schaltete das Autoradio ein. »Beeil dich.«
Trotz der vorgerückten Stunde war der Laden gerammelt voll. An der Verkaufstheke lärmte eine Gruppe von Studenten, die sich mit Bier eindeckte. Als Artjom eintrat, füllten sie bereits den zweiten Rucksack mit den Flaschen. Daneben stand eine hübsche junge Mutter, die ihrer kleinen Tochter klarzumachen versuchte, wie schädlich doch zu viele Süßigkeiten seien. Doch das entzückende, blonde Geschöpf, das bereits an einem Stück Schokolade mampfte, reckte unverdrossen die Patschhändchen nach den Karamellbonbons im Regal. Der Letzte in der Schlange war ein grimmiger, kurzbeiniger Biker, der Stiefel, schwarze Lederhose und eine über der Brust offene Weste trug und dessen Schädel mit einem leuchtend roten Bandana umwickelt war.
Wer von denen hat nun zwei Herzen?, fragte sich Artjom und musste innerlich schmunzeln.
Durch die Schaufensterscheibe sah er, dass Lusja sich in Professor Serebrjanz’ Broschüre vertieft hatte. Eigentlich keine schlechte Sache, ein Hobby zu haben. Artjom gähnte und betrachtete den kleinwüchsigen Biker, der direkt vor ihm stand. Der hatte auch ein Hobby: Hals, Schultern und Arme waren vollständig tätowiert. Von dem bunten Gewirr aus Fabeltieren, Mustern und seltsamen Schriftzeichen konnte es einem vor den Augen flimmern.
Der Zwerg bemerkte, dass er beäugt wurde. Eine Zeit
lang trippelte er nervös von einem Bein auf das andere, dann drehte er sich unvermittelt um und fixierte Artjom mit seinen kleinen, dicht beieinanderliegenden Augen.
»Hast du ein Problem mit Tattoos, Humo?«, knurrte er mit einem leichten Sprachfehler; seine »s« waren ein wenig gelispelt.
»Sind ganz interessant«, erwiderte Artjom achselzuckend. »Hast du sie selbst gemacht?«
»Glotz nicht so, Humo, wir sind hier nicht im Zoo.«
Der Unterkiefer des Bikers schob sich bedrohlich nach vorn, und seine Physiognomie gewann eine frappierende Ähnlichkeit mit einer englischen Bulldogge.
Artjom hasste Hunde.
Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass die Studenten bereits gegangen waren und auch die junge Mama mit ihrem quengelnden Sprössling hektisch das Weite suchte.
»Genierst du dich? Dann solltest du eine Burka tragen«, spottete Artjom.
Die Bulldogge rückte ihm nun auf die Pelle, obwohl Artjom um einen Kopf größer und eineinhalbmal so breit in den Schultern war. Die Verkäuferin an der Kasse wurde sichtlich nervös. Die Hände des Bikers ballten sich langsam zur Faust.
»Du hast eine ziemlich große Klappe, Humo.«
»Vitja«, rief die Verkäuferin mit verzagter Stimme. »Komm bitte mal.«
Vitja erwies sich als wahrer Koloss. In einer schmutzigen kurzen Hose und zerrissenen Sandalen schlappte er aus einem Hinterzimmer in den Ladenraum herein.
Dabei kratzte er sich mit seiner behaarten Pranke die Wampe.
»Wenn ihr euch prügeln wollt, dann draußen«, empfahl er knapp.
Der Biker dachte kurz nach, spuckte auf den Boden und beschloss, keinen Ärger mit Vitja zu riskieren.
»Schon gut, Humo, belassen wir’s dabei«, brummte er, wandte sich an die Verkäuferin und zeigte mit dem Finger auf eine Flasche billigen Whiskey. »Von dem da zwei Flaschen. Das Wechselgeld kannst du behalten.«
»Sie hätten ihn nicht reizen sollen«, tadelte die Verkäuferin Artjom, nachdem der Biker den Laden verlassen hatte. »So was kann ins Auge gehen.«
»Allerdings«, pflichtete Vitja ihr bei. »Die Typen mit den roten Kopftüchern sind völlig unberechenbar.«
»Ach, mit dem wäre ich schon fertiggeworden.« Artjom legte das Geld auf den Ladentisch. »Eine Flasche Cola und ein Zitroneneis, bitte.«
Südliches Fort, Hauptquartier der Rothauben
Moskau, Butowo
Mittwoch, 21. Juli, 22:16 Uhr
»Das werden zwei knallharte Tage für unseren Clan.«
Säbel blickte finster in die Runde und rieb sich die tätowierte Wange. An seinem Tisch hatten sich die Uibujen, die Truppführer seines Clans versammelt.
»Die Tschuden – und wahrscheinlich auch die Nawen
– werden nach dem Überfall die ganze Stadt nach uns absuchen und jeden töten, den sie in die Finger bekommen. Eure Aufgabe: Sorgt dafür, dass möglichst
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