Die verborgene Stadt - Die Prophezeiung
Crawford die Frauen dieser Welt, hart an ihrer Traumfigur zu arbeiten, um noch schlanker, knackiger und unwiderstehlicher zu werden.
Lusja pustete durch und griff sich ans Handgelenk. Bodyshaping zu Hause vor dem Fernseher war natürlich weniger effektiv als im Studio unter Anleitung eines erfahrenen Trainers, aber immer noch besser als nichts. Außerdem half es gegen die Langeweile. Seit Lusja die letzte Prüfung des Sommersemesters absolviert hatte, wusste sie nichts mehr mit sich anzufangen und die heißen, dösigen Sommertage dehnten sich quälend lang. Im Park Serebrjany Bor in der Sonne liegen, mit Freundinnen ins Café gehen und abends immer dieselben Leute treffen – das alles hing ihr zum Hals heraus. Auf den
ersehnten Badeurlaub am Meer, den ihr Artjom versprochen hatte, wartete sie immer noch vergebens. Inzwischen bereute sie es sogar, nicht mir ihren Eltern auf die Datsche gefahren zu sein. Ihre letzten großen Ferien hatte sie sich anders vorgestellt. Im nächsten Jahr standen ihr der Abschluss des Studiums und die Knechtschaft des Arbeitslebens ins Haus. Gewiss würde sie dann jeder Minute nachtrauern, die sie in diesem Sommer sinnlos verplemperte.
»Und jetzt trainieren wir unsere Beinmuskulatur«, zwitscherte die Crawford.
Artjom ist an allem schuld, dachte Lusja, drehte sich auf den Rücken und begann verbissen die Beine zu schwingen. Wahrscheinlich verwöhne ich ihn zu sehr. Nadja hat Recht, man muss strenger sein mit den Männern. Jedes Mal findet er eine Ausrede: Das Theater hat Sommerpause, die Kinos auch und das mit dem Urlaub schiebt er immer wieder hinaus. Er hat doch versprochen, mit mir ans Meer zu fahren. Und wo sitze ich? Im Moskauer Smog. Heute hat er sich noch nicht einmal dazu bequemt anzurufen!
Artjom meldete sich in der Regel zwischen elf und halb zwölf, um mit Lusja die Pläne für den Abend abzusprechen. Heute war dieser Anruf ausgeblieben.
Wahrscheinlich ist er beleidigt wegen gestern Abend, mutmaßte Lusja. Das Weichei! »Ich hab so viel Arbeit, ich hab so viel um die Ohren!« Immer dieses wichtigtuerische Gejammere. Als ich mit Nadja auf die Krim fahren wollte, hat er mich nicht weggelassen. Die aalt sich jetzt in Aluschta am Strand, während ich in der Stadt versauere!
Lusja war vor Selbstmitleid den Tränen nah.
Aber jetzt reicht’s, beschloss sie. Heute werde ich ihn vor die Wahl stellen: Entweder er nimmt Urlaub, oder er kann sich eine andere Dumme suchen!
Lusja hatte keine Lust mehr, Cindy Crawfords Bewegungen nachzuahmen und schaltete den Fernseher wieder auf den Sender NTW um.
»Heute Morgen hat sich in der Moskauer Innenstadt in der Pokrowka-Straße eine heftige Schießerei ereignet, es gab Tote und Verletzte«, verkündete der Moderator mit Grabesstimme. »Wir schalten nun zu unserem Reporter Denis Soldatikow, der für uns vor Ort ist. Bitte, Denis.«
Auf dem Bildschirm erschien ein bebrillter junger Reporter mit weißem Hemd und Krawatte.
»Der Überfall hat sich vor einigen Stunden gegenüber dem Bürohaus der Firma GW zugetragen. Die Unbekannten haben einen Jaguar in die Luft gesprengt und unmittelbar im Anschluss kam es zu der Schießerei.«
Die Kamera schwenkte auf die Überreste des edlen Sportwagens und im Hintergrund sah Lusja das ihr wohlbekannte Firmenschild mit dem Kürzel GW. Hier arbeitete Artjom!
»Nach derzeitigem Stand ist der Fahrer des Jaguars ums Leben gekommen. Im Verlauf der Schießerei wurden auch unbeteiligte Passanten verletzt. Eine junge Frau, die in der Firma GW arbeitet, wurde mit einer Schussverletzung ins Krankenhaus eingeliefert.«
»Denis, wissen Sie bereits, wer hinter dem Anschlag steckt?«, meldete sich der Moderator aus dem Studio. »Hat die Polizei schon Einzelheiten bekanntgegeben?«
»Leider nein. Major Kornilow war zwar am Tatort, doch seine Antworten brachten wenig Licht in die Sache. Die Straße war vollständig abgeriegelt, und der Verkehr in der Umgebung kam zum Erliegen. Wir mussten unsere gesamte Ausrüstung vom Gartenring hierherschleppen und …«
»Vielen Dank, Denis.« Das Bild schaltete wieder ins Nachrichtenstudio zurück. »Dies ist nun schon die dritte Schießerei innerhalb weniger Stunden, und nicht wenige Beobachter befürchten eine neue Welle von Bandenkriegen in der Stadt. In einer halben Stunde findet im Moskauer Polizeipräsidium eine Sonderpressekonferenz statt, von der wir selbstverständlich live berichten werden …«
Lusja schaltete den Fernseher aus und starrte eine ganze Weile wie
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