Die verborgene Wirklichkeit
haben keine Temperatur. Schwarze Löcher haben keine Entropie. Schwarze Löcher sind Entropie-Abflüsse. In ihrer Gegenwart versagt der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik.
Trotz aller Indizien, die gegen ihn sprachen, hatte Bekenstein einen faszinierenden Befund auf seiner Seite. Wie Stephen Hawking 1971 erkannt hatte, unterliegen Schwarze Löcher einer seltsamen Gesetzmäßigkeit. Wenn man eine Ansammlung Schwarzer Löcher unterschiedlicher Massen und Größen betrachtet, von denen manche in regelmäßigen Umlaufbahnen tanzen, andere Materie und Strahlung aus ihrer Nachbarschaft anziehen und wieder andere miteinander verschmelzen, nimmt die Summe der Flächeninhalte der Schwarzen Löcher im Laufe der Zeit zu . Die Flächeninhalte beziehen sich dabei auf die Gesamtfläche des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs. Nun gewährleisten viele Befunde in der Physik, dass bestimmte Größen sich im Laufe der Zeit nicht ändern (Energieerhaltung, Erhaltung der Ladung, Erhaltung des Impulses und so weiter), aber sehr wenige erfordern, dass Größen zunehmen. Da lag es auf der Hand, einen Zusammenhang zwischen Hawkings Befund und dem Zweiten Hauptsatz zu vermuten. Wenn wir uns vorstellen, dass die Oberfläche eines Schwarzen Lochs aus irgendeinem Grund ein Maß für die darin enthaltene Entropie darstellt, dann entspräche eine Zunahme der Summe all dieser Oberflächen einer Zunahme der Gesamtentropie.
Die Analogie war reizvoll, doch niemand stieg darauf ein. Die Ähnlichkeit zwischen Hawkings Oberflächentheorem und dem Zweiten Hauptsatz war
nach Ansicht der allermeisten lediglich als Zufall zu betrachten – bis Hawking wenige Jahre später eine der einflussreichsten Berechnungen in der Geschichte der modernen theoretischen Physik durchführte.
Hawking-Strahlung
Da die Quantenmechanik in Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie keine Rolle spielt, stützte Schwarzschild sich mit seiner Lösung für die Schwarzen Löcher ausschließlich auf die klassische Physik. Wenn man aber Materie und Strahlung – Teilchen wie Photonen, Neutrinos und Elektronen, die Masse, Energie und Entropie von einem Ort zum anderen befördern können – angemessen behandeln will, ist die Quantenphysik unabdingbar. Um das Wesen der Schwarzen Löcher in vollem Umfang einschätzen zu können und zu verstehen, wie sie mit Materie und Strahlung in Wechselbeziehung treten, müssen wir Schwarzschilds Arbeiten auf den neuesten Stand bringen und quantentheoretische Überlegungen einbeziehen. Das ist nicht einfach. Trotz aller Fortschritte der Stringtheorie (und anderer Ansätze, die hier nicht erörtert wurden, wie der Schleifen-Quantengravitation, der Twistor- und der Topos-Theorie) stehen wir mit unseren Versuchen, Quantenphysik und Allgemeine Relativitätstheorie zu verbinden, noch ganz am Anfang. Und in den siebziger Jahren war die theoretische Basis für die Klärung der Frage, wie die Quantenmechanik sich auf die Gravitation auswirkt, noch lückenhafter als heute.
Dennoch entwickelten einige Wissenschaftler schon in dieser Frühzeit eine partielle Vereinigung von Quantenmechanik und Allgemeiner Relativitätstheorie. Dazu betrachteten sie, wie Quantenfelder (der quantentheoretische Teil) sich in einer vorgegebenen gekrümmten Umgebung (einer durch die Allgemeine Relativitätstheorie beschriebenen Raumzeit) verhalten. Wie ich in Kapitel 4 deutlich gemacht habe, müsste man in einer vollständigen Vereinigung nicht nur die bekannten Fluktuationen von Feldern innerhalb der Raumzeit berücksichtigen, sondern auch die Fluktuationen der Raumzeit selbst. Um Fortschritte zu erleichtern, wurde diese zweite Komponente in den ersten Arbeiten resolut außen vor gelassen. Hawking griff die partielle Vereinigung auf und untersuchte, wie Quantenfelder sich in einem ganz besonderen Raumzeit-Umfeld verhalten: in der Umgebung eines Schwarzen Lochs. Was er dabei herausfand, warf die Physiker geradezu um.
In einer gewöhnlichen, leeren, nicht gekrümmten Raumzeit haben Quantenfelder ein allgemein bekanntes Merkmal: Ihre Fluktuationen lassen zu, dass
Teilchenpaare, beispielsweise ein Elektron und sein Antiteilchen, das Positron, plötzlich aus dem Nichts hervortreten, kurz leben und dann wieder aufeinandertreffen und sich gegenseitig vernichten. Dieser Prozess, Paarbildung genannt, wurde sowohl theoretisch als auch experimentell eingehend analysiert und erschlossen.
Die Paarbildung hat eine neuartige Eigenschaft: Da ein Mitglied des Teilchenpaares eine
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