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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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Vielleicht, so vermutete er, geht die Entropie im Schwarzen Loch nicht verloren, sondern wird nur in das Schwarze Loch verschoben. Immerhin hatte auch niemand behauptet, Schwarze Löcher, die sich von Staub und Sternen ernähren, seien ein Mechanismus zur Verletzung des Ersten Hauptsatzes der Thermodynamik, das heißt des Satzes von der Erhaltung der Energie. Einsteins Gleichungen zeigen sogar direkt, dass ein Schwarzes Loch, das Dinge verschlingt, größer und mächtiger wird. Selbstverständlich kann es zu einer Umverteilung der Energie kommen, wobei ein Teil in das Loch stürzt und ein anderer außerhalb bleibt. Die Gesamtmenge bleibt bei solchen Vorgängen aber erhalten. Vielleicht, so Bekensteins Vermutung, gilt das Gleiche auch für die Entropie. Ein Teil davon bleibt außerhalb eines bestimmten Schwarzen Lochs, und ein Teil fällt hinein, doch verloren geht nichts.
    Das klingt vernünftig, dennoch zerrissen die Fachleute Bekensteins Ansatz in der Luft. Die Schwarzschild-Lösung und viele nachfolgende Arbeiten schienen zu beweisen, dass Schwarze Löcher ein Musterbeispiel für Ordnung sind. Materie und Strahlung, die hineinstürzen, werden unabhängig davon, wie chaotisch und ungeordnet sie sind, im Zentrum des Schwarzen Lochs zu ungeheuer kleiner Größe zusammengepresst: Ein Schwarzes Loch ist die höchste Form einer geordneten Abfallentsorgung. Zwar wusste niemand genau, was während dieser gewaltigen Kompression tatsächlich geschieht, denn die extreme Krümmung und Dichte verlassen den Gültigkeitsbereich von Einsteins Gleichungen; aber im Zentrum eines Schwarzen Lochs scheint einfach kein Raum für Unordnung zu sein. Und außerhalb des Zentrums ist ein Schwarzes Loch nichts anderes als eine leere Region der Raumzeit, die sich wie in Abbildung 9.1 bis zur
Grenze ohne Wiederkehr – dem Ereignishorizont – erstreckt. Da in dieser Region keine Atome oder Moleküle hin und her schweben und damit auch keine Umordnung von Bestandteilen stattfinden kann, schien ein Schwarzes Loch überhaupt keine Entropie zu besitzen.
    Abbildung 9.1 Ein Schwarzes Loch ist eine Region der Raumzeit, die von einer Oberfläche ohne Wiederkehr, dem Ereignishorizont, umgeben ist.
    Bestärkt wurde diese Ansicht in den siebziger Jahren durch die sogenannten Keine-Haare-Theoreme : Mit ihnen wurde mathematisch nachgewiesen, dass es den Schwarzen Löchern ganz ähnlich wie den glatzköpfigen Mitwirkenden der Blue Man Group an charakteristischen Unterscheidungsmerkmalen mangelt. Den Theorien zufolge sind zwei Schwarze Löcher, sobald sie die gleiche Masse und Ladung sowie den gleichen Drehimpuls (entsprechend der gleichen Rotationsgeschwindigkeit) besitzen, identisch . Da sie – ganz ähnlich wie die Blue Men, die keinen Pony, keine Nackenhaare und keine Locken haben – keine anderen charakteristischen Merkmale besitzen, fehlen den Schwarzen Löchern offenbar alle die grundlegenden Unterschiede, an denen sich die Entropie festmachen lässt.
    Das allein war schon ein recht überzeugendes Argument. Es gab aber eine noch schlagendere Überlegung, die Bekensteins Idee endgültig zu untergraben schien. Nach den Grundgesetzen der Thermodynamik besteht ein enger
Zusammenhang zwischen Entropie und Temperatur. Die Temperatur ist ein Maß für die durchschnittliche Bewegung der Bestandteile eines Objekts: Die Bestandteile heißer Objekte bewegen sich schnell, in kalten Objekten sind sie langsamer. Entropie ist ein Maß für die Anzahl jener möglichen Umordnungen dieser Bestandteile, die aus makroskopischer Sicht unbemerkt bleiben. Entropie und Temperatur hängen also beide von den Gesamteigenschaften der Bestandteile eines Objekts ab; sie gehen Hand in Hand. Als man dies mathematisch durchrechnete, wurde eines klar: Wenn Bekenstein Recht hatte und Schwarze Löcher Entropie besitzen, sollten sie auch eine Temperatur haben. 3 Und diese Idee ließ die Alarmglocken schrillen. Ein Objekt, dessen Temperatur ungleich null ist, strahlt. Glühend heiße Kohle strahlt sichtbares Licht aus; wir Menschen geben in der Regel Strahlung im Infrarotbereich ab. Wenn die Temperatur eines Schwarzen Lochs über null liegt, besagen die gleichen Gesetze der Thermodynamik, die Bekenstein bewahren wollte, dass sie Strahlung aussenden sollten. Das steht aber in krassem Widerspruch zu der anerkannten Vorstellung, dass nichts der Gravitation eines Schwarzen Lochs entkommen kann. Nahezu alle gelangten also zu dem Schluss, dass Bekenstein Unrecht hatte. Schwarze Löcher

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